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29/01/2022

HAIDAR EID
Palästinas Zukunft liegt in einer säkularen Demokratie

 Haidar Eid, Mondoweiss, 28/1/2022
Übersetzt von
Fausto Giudice, Tlaxcala

Haidar Eid wurde in einem Flüchtlingslager in Gaza geboren (seine Eltern stammten aus dem Dorf Zarnouqa im Bezirk Ramla, das 1948 von den zionistischen Banden ethnisch gesäubert wurde). Er promovierte an der Universität Johannesburg in Südafrika, wo er von 1997 bis 2003 lebte und viel von die Anti-Apartheid-Bewegung lernte. Er ist außerordentlicher Professor für postkoloniale und postmoderne Literatur an der al-Aqsa-Universität in Gaza. Er hat viel über die palästinensische Frage geschrieben, darunter Artikel, die auf Znet, Electronic Intifada, Palestine Chronicle und Open Democracy veröffentlicht wurden. Er hat Artikel über Kulturwissenschaften und Literatur in einer Reihe von Zeitschriften veröffentlicht, darunter Nebula, Journal of American Studies in Turkey, Cultural Logic und Journal of Comparative Literature. Er ist Gründungsmitglied der One State Campaign (OSC) und Mitglied der Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (PACBI). Und zu guter Letzt: er  singt! @haidareid

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Israel ein Apartheidstaat ist. Die Fragen, die sich nun stellen, sind: Wie kann diese Apartheid aufgelöst werden und was ist der nächste Schritt?


Die Zwei-Staaten-Lösung verliert in Palästina weiter an Unterstützung. Immer mehr PalästinenserInnen erkennen, dass der sogenannte Friedensprozess nur zur Schaffung neuer israelischer vollendeter Tatsachen und neuer repressiver Praktiken geführt hat, die einen funktionierenden palästinensischen Staat unmöglich machen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass eine kürzlich vom Jerusalem Media and Communication Center durchgeführte Umfrage eine wachsende Unterstützung für die Ein-Staaten-Lösung unter den PalästinenserInnenn auf Kosten der Zwei-Staaten-Lösung zeigt.

Die Ironie ist jedoch, dass die vollendeten Tatsachen die palästinensischen Führer, ob rechts oder links, offenbar nicht überzeugt haben! Anstatt dafür zu kämpfen, den Zionismus und seine Apartheidpolitik in Palästina zu zerschlagen, versuchen die PLO-Führer, mit ihm zu koexistieren. Ihr Argument, das im Laufe der Jahre von einigen internationalen Akademikern und Aktivisten geteilt wurde, ist, dass die Zwei-Staaten-Lösung von einem „internationalen Konsens“ unterstützt wird, trotz der Tatsache, dass sie nichts anderes als eine von Israel und den USA diktierte ungerechte Lösung ist und unsere grundlegenden Rechte als Menschen ignoriert. In diesem Artikel argumentiere ich, dass die einzige Hoffnung für uns PalästinenserInnen in einer Form des Widerstands gegen die Apartheid liegt, die die Komponenten des palästinensischen Volkes und der internationalen Zivilgesellschaft mobilisiert und schließlich zur Errichtung eines einzigen Staates in Palästina führt.

Die israelische Apartheid

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Israel ein Apartheidstaat ist.  Die jüngsten Berichte von Human Rights Watch und sogar der angesehensten Menschenrechtsorganisation Israels, B'Tselem, ganz zu schweigen von den Berichten so vieler palästinensischer Menschenrechtsorganisationen, kamen zu dem Schluss, dass das zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer etablierte Regime ein Apartheidregime ist.

Tatsächlich hat die israelische Apartheid das Ziel erreicht, von dem sie lange geträumt hat, nämlich die israelische Souveränität über das gesamte historische Palästina, wobei nicht lebensfähige Enklaven eine ghettoähnliche Autonomie bieten, in der die Reste des palästinensischen Volkes langsam schrumpfen können. Israel hat jedoch eine höchst unerwünschte Last zu tragen: ein Gebiet mit mehr als 4,5 Millionen politisierten PalästinenserInnen ohne eigenen unabhängigen Staat, das Israel so effektiv fragmentiert, wie Israel selbst die palästinensische Nationalgemeinschaft fragmentiert hat. Das Problem bleibt so alt wie der Konflikt selbst: Was soll man mit diesen Menschen machen, wenn alles, was Israel will, ihr Land ist?

Die Zwei-Staaten-Lösung ist, wie ich immer behauptet habe, eine rassistische Lösung par excellence für dieses Dilemma, da sie auf der Trennung von Gemeinschaften aufgrund ihrer ethnisch-religiösen Identität beruht, die von der ethno-nationalistischen Ideologie des späten 19. Jahrhunderts abgeleitet ist, die zur Entstehung rassistischer Dogmen wie der Nationalsozialismus, die Apartheid und der Zionismus geführt hat.

Dies widerspricht den demokratischen Grundsätzen des 20. und 21. Jahrhunderts, und wie viele Intellektuelle argumentiert haben, sind die Voraussetzungen für einen unabhängigen und souveränen palästinensischen Staat durch das unumkehrbare Vordringen der Kolonien im Westjordanland ohnehin zerstört worden. Kurz gesagt, die rassistische Zwei-Staaten-Lösung, die den Palästinensern nicht ihre Grundrechte sichert, insbesondere Freiheit, Gleichheit und die Rückkehr der Flüchtlinge in die Städte und Dörfer, aus denen sie 1948 ethnisch gesäubert wurden.

Die Frage ist also, wie die Apartheid abgebaut werden kann.

Eine politische Vision

Eines der Probleme bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage ist das Fehlen eines klaren politischen Programms, das von den unterdrückten PalästinenserInnen vorgeschlagen worden wäre.  Die rechte Elite in Palästina hat ernsthafte und kritische palästinensische Intellektuelle und Aktivisten, die für Alternativen zum Zwei-Staaten-Paradigma, von dem sie profitiert, eintreten, ins Abseits gedrängt. Die Situation hat sich jedoch in letzter Zeit geändert, insbesondere nach dem Verschwinden von Edward Said, Ibrahim Abu-Lughod, Hisham Sharabati und einigen prinzipientreuen linken Führern, die das Zwei-Staaten-Dogma ernsthaft herausforderten. Das Aufkommen der BDS-Bewegung und der wachsende Widerstand der Bevölkerung im Westjordanland, im Palästina von 1948 und in Gaza sowie der Anstieg der prinzipiellen Stimmen, die eine säkulare Demokratie im Mandatsgebiet Palästina fordern, haben den Weg für eine alternative Lösung geebnet, die die Grundrechte der PalästinenserInnen garantiert.  Daher der BDS-Aufruf von 2005, in dem die PalästinenserInnen die internationale Gemeinschaft aufforderten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das Apartheid-Israel zu boykottieren, aus dem Land und den Unternehmen, die von seinen Menschenrechtsverletzungen in Palästina profitieren, zu desinvestieren und Sanktionen gegen das Land zu verhängen, bis es sich an das Völkerrecht hält. Die palästinensische Zivilgesellschaft hat die südafrikanische Lektion sehr gut gelernt. Die BDS-Bewegung ist jedoch eine auf Rechten basierende Bewegung, die davon Abstand genommen hat, eine politische Lösung zu befürworten.

Einige Aktivisten haben jedoch an einer Alternative gearbeitet, die sich von rassistischen Lösungen abgrenzt, sei es eine begrenzte „Verwaltungsautonomie“, wie sie im Camp-David-Abkommen und im Oslo-Abkommen vorgeschlagen wird, oder eine Zweistaatenlösung, die dem palästinensischen Volk eine symbolische Unabhängigkeit bietet.

Diese Aktivisten zeigen, dass uns nur eine einzige Option bleibt: ein säkularer demokratischer Staat für alle seine Bürger, unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit oder Rasse. Natürlich ist die Ein-Staat-Lösung mit Herausforderungen verbunden, wie sie auch die südafrikanischen Anti-Apartheid-Aktivisten nach dem Zusammenbruch des weißen suprematistischen Regimes zu bewältigen hatten. Eine säkulare demokratische Formel beinhaltet notwendigerweise den Abbau der Apartheid-Privilegien, die palästinensischen BürgerInnen Israels eine drittklassige Staatsbürgerschaft zuweisen und den PalästinenserInnen in den seit 1967 besetzten Gebieten ihre grundlegenden Menschenrechte verwehren. Eine säkulare demokratische Formel wird sicherlich das Recht auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge garantieren, die in elenden Flüchtlingslagern in Syrien, Jordanien und dem Libanon leben. Interessanterweise haben die BefürworterInnen der Zwei-Staaten-Lösung stets behauptet, dass diese mit dem Völkerrecht vereinbar sei, obwohl sie nur die Rechte eines Drittels des palästinensischen Volkes betrifft und die international anerkannten Rechte der palästinensischen Flüchtlinge und der Bürger dritter Klasse des Apartheid-Israels negiert.

Was ein säkularer demokratischer Staat für uns grundsätzlich bedeutet, ist die Beseitigung der militärischen Besatzung des Gazastreifens, des Westjordanlands und Jerusalems, die Vereinigung aller Bantustans und Ghettos in Palästina, die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und ihre Entschädigung, ihre Bürgerrechte und ihre Freiheit. Wie der verstorbene palästinensische intellektuelle Riese Edward Said 1999 sagte: Die Vorstellung eines ägyptischen Staates für die Ägypter, eines jüdischen Staates für die Juden, widerspricht schlicht der Realität. Was wir brauchen, ist ein Umdenken in der Gegenwart in Bezug auf Koexistenz und poröse Grenzen. Und das kann nur in einem säkularen demokratischen Staat zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer verwirklicht werden.

 

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