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10/08/2025

„Diejenigen, die Israel bewaffnen, sind die wahren Antisemiten“: Reaktionen in Israel auf den Merzschen Waffenlieferstopp

Nachstehend zwei Artikel aus der israelischen Tageszeitung Haaretz über die Entscheidung von Bundeskanzler Merz, Lieferungen von Waffen nach Israel zu stoppen, die in Gaza eingesetzt werden könnten. Von Tlaxcala übersetzt
Rissiges, von RABE

Wie Berlins Waffenembargo wegen Gaza israelische Firmen in Deutschland daran hindern kann, Waffen an Israel zu verkaufen

Oded Yaron, Haaretz, 9.8.2025

Seit Jahrzehnten ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Lieferant von Rüstungsgütern an Israel. Sollte Israel erneut in eine Notlage geraten, in der es Waffen benötigt, könnte es mit leeren Händen dastehen. Die Formulierung des Bundeskanzlers zum Verbot von Waffen für den Einsatz in Gaza könnte Berlin jedoch einen gewissen Spielraum lassen.


Der deutsche Bundeskanzler Merz (links) mit Premierminister Netanjahu im vergangenen Jahr. Foto  : Kobi Gideon/BauBau

Die Entscheidung Deutschlands vom Freitag, Waffenexporte nach Israel zu beschränken, könnte erhebliche Auswirkungen auf mehrere der wichtigsten Waffensysteme des israelischen Militärs haben und Israel und seine Lieferanten dazu zwingen, Ausweichlösungen für die Produktion in Deutschland zu finden.

Der Schritt könnte auch dazu führen, dass in Deutschland tätige israelische Rüstungsunternehmen, darunter auch staatliche Unternehmen, keine Waffen mehr an Israel verkaufen dürfen.


Ein U-Boot der israelischen Marine

In den letzten Jahrzehnten war Deutschland nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Lieferant von Rüstungsgütern an Israel, was vor allem auf große Aufträge von ThyssenKrupp für U-Boote und Raketenabwehrschiffe zum Schutz der israelischen Offshore-Gasplattformen zurückzuführen ist.

Laut einer offiziellen Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf eine Anfrage des Bundestages hat Berlin seit Kriegsbeginn bis zum 13. Mai 2025 Rüstungsexporte nach Israel im Wert von insgesamt 481 Millionen Euro genehmigt.

Die Bundesregierung lehnte es ab, konkrete Angaben zu den gelieferten Waffen und Ausrüstungsgütern zu machen, und nannte stattdessen allgemeine Kategorien wie Kleinwaffen, Bomben, Raketen, Munition und eine Vielzahl von Systemen.

Die Erklärung von Bundeskanzler Friedrich Merz, dass Deutschland keine Ausfuhr von militärischer Ausrüstung genehmigen werde, die in den Kämpfen im Gazastreifen eingesetzt werden könnte, lässt Berlin einen gewissen Handlungsspielraum. So dürfte die Entscheidung beispielsweise keine Auswirkungen auf U-Boot- oder Schiffsausfuhren haben, obwohl deutsche Abgeordnete in verschiedenen parlamentarischen Anfragen auf Berichte hingewiesen haben, wonach Überwasserschiffe an der Gaza-Offensive beteiligt waren.

Israel ist jedoch auch in anderen Bereichen von Deutschland abhängig, in denen es schwer zu argumentieren wäre, dass die Systeme nichts mit den Kämpfen im Gazastreifen zu tun haben. So stellt beispielsweise das deutsche Unternehmen MTU, eine Tochtergesellschaft des britischen Rolls-Royce-Konzerns, die Motoren für den Merkava-Panzer, den gepanzerten Mannschaftstransporter Namer und das neue gepanzerte Kampffahrzeug Eitan her.

Dies sind kritische Komponenten für die Einsatzfähigkeit der Panzer- und Infanterieeinheiten der israelischen Streitkräfte. MTU betreibt auch Werke in Großbritannien und den USA, aber diese Anlagen werden nur für die Endmontage und Erprobung von Motoren genutzt, sodass Deutschland ein wichtiges Glied in der Lieferkette bleibt.


Ein Panzer der israelischen Streitkräfte an der Grenze zum Gazastreifen, 2024. Foto Jack Guez/AFP

Die globale Ausrichtung der Lieferkette könnte Israel bereits eine Lösung für die deutschen Sanktionen bieten. Denn Israel bezieht die Motoren für den Namer und den Eitan von einem US-amerikanischen Unternehmen, Rolls-Royce Solutions America Inc., einer in den USA registrierten Tochtergesellschaft der Rolls-Royce Group, sodass die Transaktion über die USA abgewickelt wird.

Die Entscheidung hat keine Auswirkungen auf bestehende israelische Exportverträge mit Deutschland. Erst letzten Monat gab Elbit einen Vertrag über die Lieferung von infrarotgesteuerten Raketenabwehrsystemen für die deutschen A400M-Transportflugzeuge bekannt. Sollte die israelische Regierung jedoch ihren derzeitigen Kurs in Gaza beibehalten, könnte auch Deutschland bei künftigen Beschaffungen auf alternative Lieferanten zurückgreifen. Darüber hinaus könnte jede Entscheidung Deutschlands einen Dominoeffekt in anderen europäischen Staaten auslösen.

Eine Bedrohung für die Exporte israelischer Unternehmen nach Israel

Die internationale Zusammenarbeit zwischen israelischen Rüstungsunternehmen im Ausland und Deutschland hat sich in den ersten Monaten des Krieges als unverzichtbar erwiesen. Deutschland ist für Israel ein wichtiger Verbündeter bei der Entwicklung, Produktion und Vermarktung moderner Waffen, von denen ein Teil für Israel selbst bestimmt ist.

Israel Aerospace Industries, Rafael und Elbit besitzen alle Tochtergesellschaften in Deutschland und arbeiten mit lokalen Firmen in verschiedenen Bereichen zusammen. Das bedeutet, dass Israel, sollte es erneut in eine Notsituation geraten und dringend Lieferungen aus Deutschland benötigen, wie dies in der Vergangenheit bereits der Fall war, möglicherweise mit leeren Händen dastehen würde.

Eine der bedeutendsten deutschen Waffenlieferungen an Israel seit Beginn des Krieges im Gazastreifen war die Lieferung von 3.000 Panzerabwehrraketenwerfern im Jahr 2023. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um „Matador”-Raketenwerfer (RGW-90 oder die leichteren RGW-60), die in der Zahal als „Mapatz” bekannt sind und zur Zerstörung von gepanzerten Fahrzeugen, Bunkern und Militanten in Gebäuden dienen.

Die Abschussgeräte werden von der deutschen Firma Dynamit Nobel Defence (DND) hergestellt, die vor 20 Jahren von Rafael, dem staatlichen israelischen Rüstungsunternehmen, übernommen wurde. Der Matador wurde von der IDF in den Jahren der Kämpfe im Gazastreifen und im Libanon häufig eingesetzt.


Das Spike-Raketensystem von Rafael. Bildquelle: Rafael Advanced Defense Systems

Rafael hat auch die „Spike”-Familie von Lenkwaffensystemen entwickelt. Um diese in Europa zu vermarkten, gründete das Unternehmen Eurospike – ein Joint Venture mit zwei großen deutschen Firmen: Rheinmetall (40 Prozent Anteil) und Diehl Defence (ebenfalls 40 Prozent). Die restlichen 20 Prozent hält Ercas B.V., eine in den Niederlanden registrierte und vom Vereinigten Königreich aus tätige Holdinggesellschaft von Rafael.

Laut deutschen Unternehmensregistern ist Eurospike für die Vermarktung und den Vertrieb von Spike-Systemen, insbesondere für europäische Kunden, zuständig und erbringt darüber hinaus Dienstleistungen wie Projektmanagement und grundlegende Systemtechnik. Spike-Raketen werden teilweise in Israel und teilweise in Produktionsstätten der deutschen Partnerunternehmen hergestellt.

Deutschlands Waffenembargo gegen Israel ist kein Verrat, sondern eine moralische Abrechnung

Gideon Levy, Haaretz, 9.8.2025

 


Die Bewaffnung Israels, damit es seinen Plan zur Eroberung des Gazastreifens und zur Durchführung ethnischer Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in diesem Gebiet umsetzen kann, ist eine der antisemitischsten und antiisraelischsten Maßnahmen, die man sich vorstellen kann. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung der deutschen Regierung, die Waffenlieferungen an Israel einzustellen, ein mutiges Bekenntnis zu moralischen Werten und auch zu echter Freundschaft gegenüber Israel.

Deutschland hat angekündigt, die Ausfuhr von militärischer Ausrüstung, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnte, nach Israel einzustellen. Das Deutschland nach dem Holocaust musste diese Entscheidung treffen: hätte es weiterhin Waffen an ein Land geliefert, das Völkermord begeht, hätte dies bewiesen, dass es nichts aus seiner Vergangenheit gelernt hat.

So wie es seit Jahren klar ist, dass Deutschland sich nicht gegen Israel aussprechen kann und dass das Land, das den Holocaust begangen hat, verpflichtet ist, die Sicherheit des aus seiner Asche entstandenen Staates zu gewährleisten, so klar ist auch, dass Deutschland jeden Völkermord bekämpfen und schon gar nicht unterstützen darf, selbst wenn der Täter sein geliebtes Israel ist.


Juni 2025: Demonstranten protestieren vor dem Bundestag in Berlin gegen die Bedingungen in Gaza und fordern Sanktionen gegen Israel und Waffenstopp. Foto Fabrizio Bensch/ REUTERS

Mit der Verhängung eines teilweisen Waffenembargos gegen Israel hat Deutschland bewiesen, dass es an der Spitze Europas steht und den Holocaust und seine Lehren nicht vergisst. Ein Deutschland, das Israel weiterhin mit Waffen beliefert hätte, wäre wie alle derzeitigen Waffenlieferanten Israels zu seinem Komplizen beim Völkermord geworden. Und das darf Deutschland mehr als jedes andere Land der Welt nicht tun.

Alle, die Israel bei der Begehung von Völkermord unterstützen, erklären damit, dass sie den Staat nicht weniger hassen als diejenigen, die über seine Taten empört sind. Israel jetzt zu bewaffnen, zeugt weder von Freundschaft gegenüber dem Staat noch von Sorge um sein Schicksal. Die Lieferung von Waffen an den Angreifer in einem illegitimen Krieg, der längst beendet sein sollte und dessen Ziele inzwischen sinnlos und verbrecherisch sind, bedeutet Mittäterschaft an einem Verbrechen.

Deutschland hat das alte Paradigma auf den Kopf gestellt: dem heutigen Israel darf keine Hilfe gewährt werden, schon gar nicht Waffen. Jedes Flugzeug und jede Granate, jedes Raketenschiff und jede Kanone werden nur noch mehr unschuldige Menschen töten. In dem Moment, in dem der Angriff auf Gaza aufgehört hat, ein Akt der Selbstverteidigung zu sein, ist er unerträglich geworden.

Angesichts der unglaublichen Unterstützung durch die Vereinigten Staaten und der erstaunlichen Ohnmacht der Opposition in Israel gibt es niemanden, der den Krieg stoppen kann. Europa kann dazu beitragen, ihn zu beenden, wenn auch nicht sofort.

Aber über den Wunsch hinaus, den Krieg zu beenden, ist die Lieferung von Waffen an Israel ein Akt der Feindseligkeit gegenüber diesem Land. Wenn nur die US-Amerikaner das verstehen würden. Deutschland hat die Macht, den Kurs zu bestimmen: die Sorge um das Schicksal Israels schließt nicht ein, es zu bewaffnen, um seine wahnsinnigen Pläne in Gaza durchzusetzen.


Zahal-Soldaten im Einsatz in Rafah im Süden Gazas. Foto IDF Spokesperson's Unit

Anstatt alle Demonstranten gegen Israel und gegen den Krieg weiterhin als Antisemiten zu betrachten, als zynische und wirksame Manipulation durch jüdische und israelische Propaganda, sollten wir vielmehr diejenigen als Antisemiten betrachten, die Israel bewaffnen.

Natürlich gibt es auch Manifestationen von Antisemitismus in Kreisen, die Israel ablehnen, aber sie sind nicht das Wesentliche. Die meisten Demonstranten sind Menschen mit Gewissen, die mit Dingen konfrontiert wurden, mit denen Israelis nicht konfrontiert wurden, und sie können nicht schweigen. Was kann man von Weltbürgern erwarten, die Bilder von Hunger und Tod sehen? Werden sie den Tätern zujubeln oder sich gegen sie erheben und sie sogar hassen?

Die Wertschätzung und Sympathie für Israel werden in naher Zukunft nicht zurückkehren. Die Welt wird Gaza so schnell nicht vergessen. Die Tatsache, dass Israel seine Handlungen leugnet und nicht einmal die geringste Verantwortung übernimmt, wird die Welt nur weiter von ihm entfernen.

Die Israelis in Europa können weiterhin die Opferkarte spielen, wenn sie aus Restaurants geworfen werden, aber so verhalten sich Menschen mit Gewissen, denen etwas wichtig ist. Sie sind keine Antisemiten. Sie sind sicherlich besser als diejenigen, die Israel dazu drängen, weiterhin Hunderte von Babys aus der Luft, zu Lande und zu Wasser zu töten und es mit Waffen auszustatten, die für die Abschlachtung dieser Babys geeignet sind.



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