Romain
Gary, LIFE
Magazine, 22.12.1967
Übersetzt von Frank Helzel
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Sie werden sich beim Lesen dieses
Briefes sicher fragen, was ein Mitglied der zoologischen Gattung, das so tief
besorgt um die Zukunft der eigenen Gattung ist, dazu veranlasst hat, ihn zu
schreiben.
Der Selbsterhaltungstrieb ist ganz sicher das Kernmotiv. Seit sehr langer Zeit
habe ich schon das Gefühl, dass unsere Schicksale miteinander verknüpft sind.
In diesen gefährlichen Tagen‚ des „Gleichgewichts des Schreckens“, von
Massakern und gelehrten Kalkulationen über die Anzahl der menschlichen Wesen,
die einen nuklearen Holocaust überleben werden, ist es doch nur zu natürlich,
dass sich meine Gedanken Ihnen zuwenden.
In meinen Augen, lieber Herr Elefant, stellen Sie in Vollkommenheit dar, was
heute von Auslöschung bedroht ist: im Namen des Fortschritts, der Effektivität,
des integralen Materialismus, einer Ideologie oder sogar der Vernunft, denn ein
bestimmter abstrakter, unmenschlicher Gebrauch der Vernunft wird immer mehr zu
einem Komplizen unserer mörderischen Narretei.
Heute scheint es gewiss, dass wir uns anderen Gattungen und besonders der Ihren
gegenüber so verhalten haben, wie wir im Begriff sind, es mit uns selbst zu
tun.
Es war in einem Kinderzimmer vor annähernd einem halben Jahrhundert, dass wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Jahrelang haben wir das gleiche Bett geteilt, und ich schlief nie ein, ohne Ihren Rüssel zu küssen, ohne Sie dann fest zu umarmen, bis meine Mutter Sie mir wegnahm unter dem nicht sehr logischen Vorwand, ich sei inzwischen ein zu großer Junge, um noch mit einem Elefanten zu spielen.
Es wird sicher Psychologen geben, die behaupten werden, dass meine „Fixierung“ auf die Elefanten auf diese einschneidende Trennung zurückgeht und dass mein Wunsch, Ihre Gesellschaft zu teilen, tatsächlich eine Form von Heimweh nach meiner Kindheit und meiner verlorenen Unschuld ist.
Es ist auch sehr wahr, dass Sie
in meinen Augen ein Symbol der Reinheit und eines naiven Traums darstellen,
eines Symbols für eine Welt, in der der Mensch und das Tier friedlich
miteinander leben würden.
Jahre später trafen wir uns irgendwo im Sudan wieder. Ich kam von einem
Bombardierungsauftrag über Äthiopien zurück und brachte mein Flugzeug in
erbarmenswertem Zustand südlich von Karthum am südlichen Nilufer auf die Erde
zurück. Ich marschierte drei Tage lang, bevor ich Wasser fand und trank, was
mir einen Typhus einbrachte, an dem ich fast gestorben wäre.
Ich nahm Sie durch ein dürres Gestrüpp wahr und hielt mich zunächst für das Opfer einer Halluzination. Denn Sie waren rot, von einem dunklen Rot, vom Rüssel bis zum Schwanz. Und der Anblick eines roten Elefanten, der auf seinem Hinterteil sitzend schnarchte, ließ meine Haare zu Berge stehen. Ja, wirklich, Sie schnarchten.
Seitdem weiß ich, dass dieses tiefe Schnarchen bei Ihnen und Ihresgleichen ein Zeichen von Zufriedenheit ist, was mich vermuten lässt, dass die von Ihnen verzehrte Baumrinde besonders köstlich war. Ich brauchte einige Zeit, um zu verstehen, warum Sie rot waren. Sie hatten sich nämlich im Schlamm gewälzt, das hieß, dass es in der Nähe Wasser geben musste. Ich ging vorsichtig weiter.
Da bemerkten Sie, dass ich da
war. Sie haben die Ohren aufgestellt, so dass Ihr Kopf um das Dreifache größer
schien, während Ihr einem Berg ähnlicher Körper hinter diesem plötzlich
gehissten Segelwerk verschwand.
Zwischen Ihnen und mir gab es kaum 20 Meter Distanz, und ich konnte nicht nur
Ihre Augen sehen, sondern reagierte sehr empfindlich auf Ihren Blick, der mich,
wenn ich so sagen kann, wie ein Faustschlag im Magen traf. Es war zu spät, um
zu fliehen. Und in dem Zustand der Erschöpfung, in dem ich mich befand,
gewannen Fieber und Durst die Oberhand über meine Angst. Ich verzichtete auf
den Kampf. Das widerfuhr mir einige Male im Krieg: Ich schloss die Augen und
wartete auf den Tod, was mir jedes Mal eine Auszeichnung und den Ruf, eine oder
andere Weise zu überleben gelingt.