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02/02/2024

Jürgen Habermas, der „Hegel der Bundesrepublik“, hat endlich seinen Napoleon gefunden, und er heißt Benjamin Netanyahu
Elend der deutschen Philosophie im 21. Jhdt.

Nachfolgend drei Texte, die das Desaster des europäischen Denkens in Zeiten des Völkermords illustrieren, der von der moralischsten Armee der Welt mit dem Segen und der bewaffneten Unterstützung der Führer der aufgeklärtesten Mächte der Welt begangen wird. Übersetzungen von Helga Heidrich, Tlaxcala

 Dank Gaza ist die europäische Philosophie als ethisch bankrott entlarvt worden

Hamid Dabashi, Middle Easte Eye, 18/1/2024


Hamid Dabashi ist Hagop Kevorkian Professor für Iranistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University in New York, wo er Vergleichende Literaturwissenschaft, Weltkino und Postkoloniale Theorie unterrichtet. Zu seinen jüngsten Büchern gehören The Future of Two Illusions: Islam after the West (2022); The Last Muslim Intellectual: The Life and Legacy of Jalal Al-e Ahmad (2021); Reversing the Colonial Gaze: Persian Travelers Abroad (2020) und The Emperor is Naked: On the Inevitable Demise of the Nation-State (2020). Seine Bücher und Essays sind in viele Sprachen übersetzt worden.

Von Heideggers Nationalsozialismus bis zu Habermas' Zionismus ist das Leiden des „Anderen“ von geringer Bedeutung

Stellen Sie sich vor, der Iran, Syrien, der Libanon oder die Türkei - mit voller Unterstützung, Bewaffnung und diplomatischem Schutz durch Russland und China - hätten den Willen und die Mittel, Tel Aviv drei Monate lang Tag und Nacht zu bombardieren, Zehntausende von Israelis zu ermorden, unzählige weitere zu verstümmeln, Millionen obdachlos zu machen und die Stadt in einen unbewohnbaren Trümmerhaufen zu verwandeln, so wie heute Gaza.

Stellen Sie sich das einmal für ein paar Sekunden vor: der Iran und seine Verbündeten würden absichtlich bewohnte Teile von Tel Aviv, Krankenhäuser, Synagogen, Schulen, Universitäten, Bibliotheken - oder überhaupt alle bewohnten Orte - angreifen, um ein Maximum an zivilen Opfern zu gewährleisten. Sie würden der Welt sagen, sie seien nur auf der Suche nach dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinem Kriegskabinett. 

Fragen Sie sich, was die USA, das Vereinigte Königreich, die EU, Kanada, Australien und insbesondere Deutschland innerhalb von 24 Stunden nach dem Ansturm dieses fiktiven Szenarios tun würden.

Kehren Sie nun in die Realität zurück und bedenken Sie, dass Tel Avivs westliche Verbündete seit dem 7. Oktober (und seit Jahrzehnten davor) nicht nur zusehen, was Israel dem palästinensischen Volk antut, sondern es auch mit militärischer Ausrüstung, Bomben, Munition und diplomatischem Beistand versorgen, während US-amerikanische Medien ideologische Rechtfertigungen für das Abschlachten und den Völkermord an den Palästinensern liefern. 

Das oben beschriebene fiktive Szenario würde von der bestehenden Weltordnung nicht einen Tag lang toleriert werden. Mit der militärischen Gewalt der USA, Europas, Australiens und Kanadas, die vollkommen hinter Israel stehen, sind wir hilflose Menschen auf der Welt, genau wie die Palästinenser, nichts wert. Dies ist nicht nur eine politische Realität, sondern betrifft auch die moralische Vorstellung und das philosophische Universum dessen, was sich „der Westen“ nennt.  Haut du formulaire

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Diejenigen von uns, die sich außerhalb der europäischen Sphäre der moralischen Vorstellungskraft befinden, existieren nicht in ihrem philosophischen Universum. Araber, Iraner und Muslime oder Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika - wir haben für europäische Philosophen keine ontologische Realität, außer als metaphysische Bedrohung, die besiegt und besänftigt werden muss.

Angefangen bei Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel bis hin zu Emmanuel Levinas und Slavoj Zizek sind wir Merkwürdigkeiten, Dinge, erkennbare Objekte, die die Orientalisten zu entschlüsseln hatten. Die Ermordung von Zehntausenden von uns durch Israel oder die USA und ihre europäischen Verbündeten lässt die europäischen Philosophen daher nicht im Geringsten innehalten. 

Europäisches Stammpublikum

Wer das bezweifelt, braucht nur einen Blick auf den führenden europäischen Philosophen Jurgen Habermas und einige seiner Kollegen zu werfen, die sich in einem erstaunlich unverhohlenen Akt grausamer Gemeinheit für das Abschlachten der Palästinenser durch Israel ausgesprochen haben. Die Frage ist nicht mehr, was wir von Habermas, der jetzt 94 Jahre alt ist, als Mensch halten sollen. Die Frage ist, was wir von ihm als Sozialwissenschaftler, Philosoph und kritischer Denker halten sollen. Ist das, was er denkt, für die Welt noch von Bedeutung, wenn es das jemals war? 

Die Welt hat sich ähnliche Fragen über einen anderen bedeutenden deutschen Philosophen, Martin Heidegger, angesichts seiner verhängnisvollen Verbindungen zum Nazismus gestellt. Meiner Meinung nach müssen wir jetzt solche Fragen über Habermas' gewalttätigen Zionismus und die bedeutenden Konsequenzen für das, was wir von seinem gesamten philosophischen Projekt halten könnten, stellen.

Wenn Habermas in seiner moralischen Vorstellungskraft nicht ein Jota Platz für Menschen wie die Palästinenser hat, haben wir dann irgendeinen Grund, sein gesamtes philosophisches Projekt als in irgendeiner Weise auf den Rest der Menschheit bezogen zu betrachten - jenseits seines unmittelbaren europäischen Stammpublikums? 

In einem offenen Brief an Habermas sagte der angesehene iranische Soziologe Asef Bayat, er widerspreche „seinen eigenen Ideen“, wenn es um die Situation in Gaza geht. Bei allem Respekt, ich bin anderer Meinung. Ich glaube, dass Habermas' Missachtung des Lebens der Palästinenser ganz im Einklang mit seinem Zionismus steht. Sie entspricht ganz und gar der Weltanschauung, nach der Nichteuropäer nicht vollständig menschlich sind oder „menschliche Tiere“ sind, wie der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant offen erklärt hat.

Diese völlige Missachtung der Palästinenser ist tief in der deutschen und europäischen philosophischen Vorstellungswelt verwurzelt. Die allgemeine Weisheit besagt, dass die Deutschen aus der Schuld am Holocaust eine solide Verpflichtung gegenüber Israel entwickelt haben.

Aber für den Rest der Welt, wie das großartige Dokument, das Südafrika dem Internationalen Gerichtshof vorgelegt hat, beweist, gibt es eine perfekte Übereinstimmung zwischen dem, was Deutschland während seiner Nazizeit getan hat, und dem, was es jetzt während seiner zionistischen Ära tut.

Ich glaube, dass Habermas' Position im Einklang mit der Politik des deutschen Staates steht, der sich an der zionistischen Abschlachtung der Palästinenser beteiligt. Sie steht auch im Einklang mit dem, was als „deutsche Linke“ gilt, mit ihrem ebenso rassistischen, islamfeindlichen und fremdenfeindlichen Hass auf Araber und Muslime und ihrer uneingeschränkten Unterstützung für die völkermörderischen Aktionen der israelischen Siedlerkolonie.

Man möge uns verzeihen, wenn wir dachten, dass Deutschland heute keine Holocaust-Schuld, sondern Völkermord-Nostalgie hat, da es sich stellvertretend an Israels Abschlachten der Palästinenser im letzten Jahrhundert (nicht nur in den letzten 100 Tagen) ergötzt hat.