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05/10/2024

Kreuzgespräch zu Joe Hill zwischen Übersetzerin und Autor

5 Fragen an Fausto Giudice, Autor von Joe Hill, in memoriam

Milena Rampoldi, 12.7.2022

Wie hast Du Joe Hill entdeckt?

Ich war ein junger Einwanderer in Schweden in den späten 1960er Jahren. Das waren die „goldenen Jahre“ der herrschenden Sozialdemokratie, die jede abweichende Meinung als „Abweichung“ deklarierte, die mit psychiatrischen Mitteln zu behandeln war. Ich identifizierte mich mit den „Verdammten dieser Erde“ und fand die vorherrschende lutherische Moral unvergleichlich heuchlerisch. Diejenigen, die vorgaben, das Wohl des Volkes zu wollen, hatten die Geschichte umgeschrieben und die „andere Arbeiterbewegung“ ausgelöscht, die das Kapital mit alles andere als friedlichen Mitteln bekämpft hatte. Joe Hill war eine legendäre Figur in dieser so genannten „anderen Arbeiterbewegung“. 1970 fand ich mich mit ein paar hundert Ausgegrenzten als Statist in Bo Widerbergs Film über Joe Hill in den südlichen Stadtteilen Stockholms wieder. Bis dahin kannte ich von ihm nur das Lied, das Joan Baez in Woodstock gesungen hatte. Joe Hill erzählte mir, dass die schwedische Arbeiterklasse nicht immer der friedliche Dickhäuter der sozialdemokratischen Vertretung war. Und ich entdeckte Anton Nilsson, „den Mann aus Amalthea“. Dieser 21-jährige Arbeiter hatte zusammen mit zwei Kameraden eine Bombe in der Nähe des Schiffes Amalthea gelegt, das in Malmö vor Anker lag und auf dem sich britische Streikbrecher befanden, die von den Bossen gegen einen Hafenarbeiterstreik im Jahr 1908 eingeführt worden waren. Anton Nilsson wurde zum Tode verurteilt und seine Strafe wurde nach einer internationalen Kampagne, die insbesondere von der International Workers of the World, der Gewerkschaft, in der Joe Hill in den Vereinigten Staaten aktiv war, geführt wurde, in lebenslange Haft umgewandelt.

Was sagt uns Joe Hill heute?

Seine Botschaft besteht im Wesentlichen aus zwei Dingen: 1. Es ist möglich, die am stärksten Ausgebeuteten, die am stärksten Unterdrückten auf intelligente und wirksame Weise zu organisieren, indem man die Organisationsformen an die soziale Realität der „unten“, der Migranten, der Frauen, der Prekären, der Ungelernten, anpasst, wie es die IWW getan haben, und dabei jede Form von sozialdemokratischer Bürokratie vermeidet. Das ist es, was die „andere Arbeiterbewegung“ ausmacht, im Gegensatz zu Apparaten wie dem deutschen DGB, der Yankee AFL-CIO oder der schwedischen LO: eine Bewegung, die sich an die Realität der Klasse hält, die mobil, fließend und im Wandel ist. 2 - populäre, kreative, prägnante und humorvolle Formen der Kommunikation können erfunden werden. Die Lieder von Joe Hill sind ein wunderbares Beispiel dafür.

Gibt es heute noch einen Joe Hill?

Nicht, dass ich wüsste. Einige Rapper könnten es sein, wenn sie mit und für die Arbeiter singen würden, die sich bei Amazon, McDonalds, Starbucks, Deliveroo, Uber und all den anderen Unternehmen des „neuen Kapitalismus“ organisieren, der nur in seinen Formen neu ist.

Was hätten Joe Hill und die IWW heute getan?

Sie hätten die „anderen“ Arbeiter organisiert, die auf zwei Beinen gehen: auf physischem und virtuellem Kontakt. Dies geschieht beispielsweise in China, wo junge Fabrikarbeiter weltweit, ohne eine Gewerkschaft, die sie verteidigt, soziale Medien nutzen, um ihre Rechte einzufordern und sich zu organisieren.

Warum die 'erga omnes'-Sammlung?

erga omnes‚Für alle‘, war das Motto der Sklavenrebellen unter der Führung von Spartacus, die zwischen 73 und 71 v. Chr. die römische Republik gefährdeten. Ziel dieser Reihe ist es, Bücher über die großen, manchmal vergessenen Persönlichkeiten der logischen Revolten - um es mit Rimbaud zu sagen - im Laufe der Jahrhunderte zu veröffentlichen.

 Und 3 Fragen an Milena, 2 Jahre später

  Was hast Du entdeckt, danke Deiner Übersetzung meines Textes ?

Was mich sehr beeindruckt hat, ist zweifelsohne der Stil der Erzählung einher mit dem biografischen Ansatz, der durch Anekdoten geprägt ist. Ich finde, dass frische Erzählungen wie diese jungen Menschen heute nahebringen, wie der Kampf um die Arbeiterrechte konkret ausgetragen wurde. Denn in unserer Epoche der vollkommenen Digitalisierung können viele nicht mehr nachvollziehen, wie hart und kreativ der Kampf auf den Straßen war. Dies gilt im Besonderen für die USA.

 Spricht Joe Hill Muslime an? In welchem Mass?

Ich denke, man sollte Joe Hill in der islamischen Welt bekannter machen. Man sollte auch die komplexe Dialektik zwischen Islam und  Marxismus einerseits und Islam und Kapitalismus andererseits im Detail analysieren. Studien wie die von Maxime Rodinson könnten wegweisend sein. Das Büchlein sollte auch in einige muslimische Sprachen wie Arabisch, Farsi, Urdu, Bahasa und Türkisch übersetzt warden. Ich denke, dass Joe Hill vielen Arbeiterbewegungen als Vorbild dienen kann.

Du hast eben eine Doktorarbeit zum Thema Islam und Sklaverei verfasst. Was sagt Deine Wahrnehmung des Islams zur heutigen (Lohn)Sklaverei? Sind Profit und Ausbeutung sozusagen halal?

Alles was gegen die Würde des Menschen verstößt, ist im Islam verboten. Somit ist jegliche Art von Unterdrückung unislamisch. Aber der Islam und sein egalitäre Grundidee und die muslimischen Gesellschaften unterscheiden sich leider sehr stark voneinander. Marxistische Ideale werden oft als anti-islamisch angesehen. Aber Islam und Marxismus haben sehr viel gemeinsam, wenn man den Islam in seinem egalitären, koranischen Kern betrachtet und lebt. Die heutige Lohnsklaverei, die Zwangsarbeit und auch der Menschenhandel, um Menschen wirtschaftlich auszubeuten (dazu gehört meiner Meinung auch die Zwangsprostitution), haben sehr viel mit der Sklaverei gemeinsam. Denn der Mensch wird in diesen Netzwerken vollkommen entmenschlicht und entfremdet. Armut und Unterdrückung sind in den muslimischen Ländern weit verbreitet und müssen genauso wie die Sklaverei in Mauretanien im Namen des Islam bekämpft werden. 


26/09/2024

MILENA RAMPOLDI
‘Joe Hill ain’t dead’: 5 questions to Fausto Giudice

 Milena Rampoldi, 12/7/2022

How did you discover Joe Hill?

I was a young immigrant in Sweden in the late 60s. Those were the ‘golden years’ of the reigning social democracy, which declared all dissent to be ‘deviance’ to be treated by psychiatry. I identified with the ‘damned of the earth’ and found the reigning Lutheran morality incomparably hypocritical. Those who claimed to want the good of the people had rewritten history, erasing the ‘other workers’ movement', which had fought against capital by anything but peaceful means. Joe Hill was a legendary figure in that ‘other labour movement’. In 1970, I found myself with a few hundred outsiders as an extra in Bo Widerberg's film about Joe Hill, in the southern districts of Stockholm. Until then, all I knew about him was the song sung by Joan Baez at Woodstock. Joe Hill told me that the Swedish working class had not always been the peaceful pachyderm of social democratic representation. Then I discovered Anton Nilsson, ‘the Amalthea man’. This 21-year-old worker had, with 2 comrades, planted a bomb near a ship called the Amalthea, moored in Malmö, which housed British strike-breakers imported by the bosses against a dockers' strike in 1908. Anton Nilsson was sentenced to death, but his sentence was commuted to life imprisonment following an international campaign, led in particular by the International Workers of the World, the union where Joe Hill was active in the USA.

What is Joe Hill telling us today?

Essentially, he is telling us two things: 1. that it is possible to organise the most exploited and the most oppressed in an intelligent and effective way by adapting the forms of organisation to the social reality of those ‘down below’ - migrants, women, the precarious, the unskilled - which is what the IWW did, avoiding any form of social-democratic bureaucracy. That's what the ‘other workers’ movement’ is all about, as opposed to apparatuses like the German DGB, AFL-CIO or the Swedish LO: a movement that sticks to the reality of the class, which is mobile, fluid and changing. 2- We can invent popular, creative, hard-hitting and humorous forms of communication. Joe Hill's songs are a magnificent example of this.

Are there any Joe Hills today?

Not that I know of. Some rappers could be, if they chose to sing with and for the workers who are organising themselves at Amazon, McDonalds, Starbucks, Deliveroo, Uber and all the companies of the ‘new capitalism’, which is only new in its forms.

What would Joe Hill and the IWW have done today?

They would have organised ‘other’ workers by walking on two legs: physical and virtual contact. That's what's happening in China, for example, where young workers in the world's factories, with no union to defend them, are using social media to make demands and organise themselves.

Why the ‘erga omnes’ series?

‘erga omnes’, “For all”, was the motto of the slave rebels led by Spartacus who endangered the Roman Republic between 73 and 71 BC. This collection aims to publish books on the great, sometimes forgotten, figures of logical revolts through the centuries. Others will follow Joe Hill.

 
 
CONTENTS
  • A child of the iron
  • Svenskamerika
  • From New York to California
  • Wobbly!
  • Rebel Girl
  • A Yankee lawsuit

02/10/2022

5 domande a Fausto Giudice, autore di “Joe Hill, in memoriam”

Milena Rampoldi, 12/7/2022

Come hai scoperto Joe Hill?

Ero un giovane immigrato in Svezia alla fine degli anni Sessanta. Erano gli "anni d'oro" della socialdemocrazia al potere, che dichiarava ogni dissenso come "devianza", da trattare con mezzi psichiatrici. Mi identificavo con i "dannati della terra" e trovavo la morale luterana imperante incomparabilmente ipocrita. Chi diceva di volere il bene del popolo aveva riscritto la storia, cancellando l'"altro movimento operaio", che aveva combattuto il capitale con mezzi tutt'altro che pacifici. Joe Hill era una figura leggendaria in questo cosiddetto "altro movimento sindacale". Nel 1970 mi ritrovai con qualche centinaio di emarginati come comparsa nel film di Bo Widerberg su Joe Hill nei quartieri meridionali di Stoccolma. Tutto quello che conoscevo di lui fino ad allora era la canzone che Joan Baez cantò a Woodstock. Joe Hill mi diceva che la classe operaia svedese non era sempre stata il pacifico pachiderma della rappresentanza socialdemocratica. E ho scoperto Anton Nilsson, "l'uomo dell'Amalthea". Questo operaio ventunenne, insieme a due compagni, aveva piazzato una bomba vicino a una nave chiamata Amalthea, ormeggiata a Malmö, che ospitava i crumiri inglesi importati dai padroni contro uno sciopero dei portuali, nel 1908. Anton Nilsson fu condannato a morte e la sua pena fu commutata in ergastolo a seguito di una campagna internazionale, condotta in particolare dall'International Workers of the World, il sindacato in cui Joe Hill era attivo negli Stati Uniti.

Cosa ci dice oggi Joe Hill?

Il suo messaggio essenzialmente consiste in due cose: 1. è possibile organizzare i più sfruttati, i più oppressi in modo intelligente ed efficace, adattando le forme di organizzazione alla realtà sociale di coloro che stanno "sotto", i migranti, le donne, i precari, i non qualificati, quello che fece IWW, evitando qualsiasi forma di burocrazia socialdemocratica. Ecco cos'è l'"altro movimento operaio", in contrapposizione ad apparati come la DGB tedesca, l'AFL-CIO yankee o la LO svedese: un movimento che si attiene alla realtà della classe, che è mobile, fluida e mutevole. 2 – si possono inventare forme di comunicazione popolari, creative, incisive e umoristiche. Le canzoni di Joe Hill ne sono un esempio meraviglioso.

C'è qualche Joe Hill oggi?

Non che io sappia. Alcuni rapper potrebbero esserlo, se scegliessero di cantare con e per i lavoratori che si stanno organizzando presso Amazon, McDonalds, Starbucks, Deliveroo, Uber e tutte le altre aziende del "nuovo capitalismo",  nuovo solo nelle sue forme.

Che cosa avrebbero fatto oggi Joe Hill e l'IWW?

Avrebbero organizzato gli "altri" lavoratori, camminando su due gambe: sul contatto fisico e su quello virtuale. È quanto sta accadendo, ad esempio, in Cina, dove i giovani lavoratori delle fabbriche mondiali, senza un sindacato che li difenda, utilizzano i social media per rivendicare i propri diritti e per organizzarsi.

Perché la collezione "Erga Omnes"?

"Erga Omnes", "Per tutti", era il motto dei ribelli schiavi guidati da Spartaco che misero a repentaglio la Repubblica romana tra il 73 e il 71 a.C. Questa collana si propone di pubblicare libri sulle grandi figure, a volte dimenticate, delle rivolte logiche – per usare le parole di Rimbaud - attraverso i secoli.

Comprare il libro Joe Hill, in memoriam

12/07/2022

MILENA RAMPOLDI
5 preguntas a Fausto Giudice, autor de “Joe Hill, in memoriam

  Milena Rampoldi, 12/07/2022
Traducido por María Piedad Ossaba

 

¿Cómo descubriste a Joe Hill?

Yo era un joven inmigrante en Suecia a finales de los años 60. Eran los “años dorados” de la socialdemocracia reinante, que declaraba toda disidencia como “desviación”, que debía ser tratada por la psiquiatría. Me identificaba con los “condenados de la tierra” y encontraba la moral reinante luterana de una hipocresía incomparable. Los que decían querer el bien del pueblo habían reescrito la historia, borrando “el otro movimiento obrero”, que había combatido al capital por todos los medios salvo los pacíficos. Joe Hill era una figura legendaria de este “otro movimiento obrero”. En 1970, me encontré con algunos centenares de marginales como extras en la película rodada por Bo Widerberg sobre Joe Hill, en los barrios en el sur de Estocolmo. Lo único que sabía de él hasta entonces era la canción que cantó Joan Baez en Woodstock. Joe Hill me decía que la clase obrera sueca no siempre había sido ese pacífico paquidermo de la representación socialdemócrata. Y descubrí a Anton Nilsson, “el hombre del Amalthea”. Este trabajador de 21 años había colocado, junto con dos compañeros, una bomba cerca de un barco llamado Amalthea, amarrado en Malmö, que albergaba a los esquiroles británicos importados por los patrones contra una huelga de estibadores, en 1908. Anton Nilsson fue sentenciado a muerte y se le conmutó la pena por la de cadena perpetua tras una campaña internacional, encabezada en particular por los de los IWW (Trabajadores Internacionales del Mundo), el sindicato en el que militaba Joe Hill en USA.

¿Qué nos dice Joe Hill hoy?

Nos dice esencialmente dos cosas: 1- se puede organizar a los más explotados, a los más oprimidos de una manera inteligente y eficaz adaptando las formas de organización a la realidad social de los “de abajo”, los migrantes, las mujeres, los precarios, los no cualificados, que es lo que han hecho los IWW, evitando cualquier forma de burocracia de tipo socialdemócrata. El “otro movimiento obrero” es eso, frente a los aparatos de tipo DGB, AFL-CIO o LO: un movimiento que se adhiere a la realidad de la clase, que es móvil, fluida, cambiante.

2- se pueden inventar formas de comunicación populares, creativas, contundentes y llenas de humor. Las canciones de Joe Hill son un magnífico ejemplo de eso.