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09/02/2022

GERHARD MERTSCHENK
„Haben die USA das moralische Recht, gegen andere Länder in einer Sache vorzugehen, in der sie selber Schuld auf sich laden?“

Gerhard Mertschenk ist Mitglied des Vorstandes der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft in Berlin und in der Organisation Venezuela Avanza aktiv. Er hielt folgende Rede am 5. Februar 2022 in Berlin.

 

Liebe Anwesende,

vor Kurzem wurde an den 20. Jahrestag der Inbetriebnahme des Gefangenenlagers im USA-Militärstützpunkt Guantánamo auf Kuba erinnert. Dieses Gefangenenlager eignet sich hervorragend, das Verhältnis der USA zu Menschenrechten zu erläutern. Die Einhaltung von Menschenrechten wird von anderen Ländern immer dann eingefordert, wenn es den Interessen der USA nützt. Wenn jedoch Menschenrechte den eigenen Machtansprüchen entgegenstehen, dann wird sich skrupellos über sie hinweggesetzt und sie werden vollkommen missachtet. Und alle Verbündeten sehen darüber hinweg und die kapitalhörigen Medien versuchen sich in Rechtfertigungen. Das Gefangenenlager in Guantánamo ist noch immer in Betrieb, d.h. 20 Jahre anhaltende Verletzung von Menschenrechten durch die USA und offiziell angeordnete Anwendung von Foltermethoden wie das berüchtigte „waterboarding“. Warum werden die staatlichen US-Folterknechte in Guantánamo nicht auch vor Gericht gestellt, wie es jetzt mit einem syrischen Geheimdienstmann geschah? Da wird wieder die doppelte Moral sichtbar, die von den BRD-Politikern und den "Qualitätsmedien" praktiziert wird.

Die USA maßen sich zudem auf der anderen Seite an, anderen Ländern die Verletzung von Menschenrechten vorzuwerfen. Sie betrachten sich als „God’s own country“, Gottes eigenes Land, und glauben, Gott hätte ihnen das Gebot erteilt, ihre Werte in alle Welt zu tragen und durchzusetzen. Sie sollten aber mal in die Bibel schauen, Johannes Evangelium, Kapitel 8, Vers 7 lesen und sich mit der Parabel von der Ehebrecherin beschäftigen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Die USA dürften also andere Länder nur dann wegen Verletzung von Menschen-rechten anklagen, wenn sie selber ohne Sünde wären. Aber so weit geht die Bibel-gläubigkeit der USA nicht. Sie frönen nur der Absicherung ihrer Profitgier und ihres Machtanspruches.

Die Verletzung der Menschenrechte in den USA hat eine lange Tradition. Sie fängt schon an mit dem Vorgehen gegen die Ureinwohner, denen ihr Land weggenommen wurde, die ermordet, diskriminiert und in unwirtliche Reservate weggesperrt wurden, von denen noch heute etliche existieren. Was für ein Geschrei würden die USA und die ihr hörigen Medien erheben, wenn China so gegen die Uiguren vorgehen würden? China nimmt ihnen nicht das Land, ermordet sie nicht und sperrt sie nicht in unwirtliche Reservate ein. Und trotzdem werfen die USA China die Verletzung von Menschenrechten vor, anstatt den Indianern ihr Land zurückzugeben und sie für die erlittenen Unbilden zu entschädigen. Das ist typische Kolonialherrenmanier. Davon zeugt auch der seit 1976 in den USA inhaftierte indigene politische Gefangene Leonard Peltier. Im Juli 2021 wandte sich der damalige Anklagevertreter James Reynold, der im Prozess gegen Peltier mitverantwortlich für die Verurteilung des Aktivisten gewesen war, in einem Brief an Präsident Biden und forderte nun die Freilassung des politischen Gefangenen. Zudem entschuldigte er sich öffentlich für die Verurteilung und Inhaftierung Peltiers und räumte ein, dass es keinerlei Beweise gegen ihn gegeben habe, weshalb er nie habe verurteilt werden dürfen. Ein bezeichnendes Beispiel für die Achtung der Menschenrechte in den USA.

USA-Regierungen schlossen über 2000 Friedensverträge mit den Indianern ab, kein einziger davon wurde von den USA eingehalten, alle wurden skrupellos gebrochen. Soweit auch zur Vertragstreue der USA. Und das gilt auch für die Gegenwart. Man denke nur an die Kündigung des Atomvertrages mit dem Iran. Aber von den anderen verlangen sie Vertragstreue. Welch ein heuchlerisches und zynisches Spiel dieser Großmacht, die sich zum Weltpolizisten berufen fühlt und Ankläger, Richter und Bestrafer zugleich sein will. Auch gegenüber sogenannten Verbündeten verhalten sich die USA nicht besser, wie man an dem einseitigen und einsamen Beschluss sehen kann, sich aus Afghanistan zurückzuziehen und die willfährigen Verbündeten im Regen stehen zu lassen.

Wenn es um Menschenrechte geht, ist immer auch zu fragen, um welche Menschenrechte es sich handelt. Welche Menschenrechtskonventionen haben die USA ratifiziert?

In einer Deklaration hat sich 1970 die UN-Generalversammlung auf Folgendes geeinigt: „Alle Staaten genießen souveräne Gleichheit. Sie haben dieselben Rechte und Pflichten und sind gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, ungeachtet aller Unterschiede wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer oder anderer Natur“. Weiter heißt es: „Jeder Staat hat die Pflicht, die Rechtspersönlichkeit der anderen Staaten zu respektieren. Jeder Staat hat das Recht, seine politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung frei zu wählen und zu entwickeln“.  Somit verstoßen die Sanktionen der USA gegen Kuba, Nicaragua, Venezuela und andere ihnen nicht genehme Länder prinzipiell gegen Völkerrecht und UN-Charta.

Wie steht es nun allgemein um die Menschenrechte und die USA? Als es 1945 innerhalb des Prozesses zur Gründung der Vereinten Nationen durch die alliierten Siegermächte um die Aufnahme der universellen Menschenrechte in die UN-Charta ging, gab es Widerstand seitens des Westens gegen die Kodifizierung der von der Sowjetunion geforderten ökonomischen und sozialen Rechte. Der Kompromiss bestand dann in der Ausarbeitung zweier gleichberechtigter Konventionen, eine bezüglich der zivilen und politischen Rechte, die andere bezüglich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, darunter das Recht auf Arbeit, auf angemessenen Lebensstandard, auf höchsten Standard für körperliche und geistige Gesundheit. Beide Konventionen sollten gleichrangig sein, nicht die eine Vorrang vor der anderen haben. Erst 1966 wurden dann die beiden Konventionen von der UN-Vollversammlung angenommen. Es dauerte nochmals zehn Jahre, bis die Konventionen in Kraft traten. Den kapitalistischen Ländern gefielen die festgeschriebenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nicht. Ein Widerstand, der bis heute andauert und sich darin äußert, dass die USA bezeichnender Weise die Konvention über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte bis heute nicht ratifiziert haben. Die USA widersetzten sich auch beharrlich dem Verbot der Rassendiskriminierung. Erst 1994 ratifizierten sie die Übereinkunft zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung. Wie die Wirklichkeit aussieht, zeigen der Mord an Georg Floyd und andere rassistische Handlungen der US-Behörden in letzter Zeit.

Ebenso wenig haben die USA bis jetzt die Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau ratifiziert, auch nicht die Kinderrechtskonvention.

Erst 1994 ratifizierten sie die Antifolterkonvention, was sie aber nicht daran hinderte und hindert, massiv und systematisch Foltermethoden im Strafgefangenenlager Guantánamo, im Irak (Abu Ghraib) anzuwenden.

Soweit die Haltung der USA zu den Menschenrechten. Verträge und Konventionen werden nur eingehalten, solange sie für sie von Nutzen sind. Wenn sie das nicht mehr sind, setzen sich die USA über das Völkerrecht hinweg und brechen es skrupellos, ohne dass eine internationale Ächtung erfolgt – auch kein anhaltender Aufschrei in den kapitalabhängigen, marktbeherrschenden Leitmedien.

Haben also die USA das moralische Recht, gegen andere Länder in einer Sache vorzugehen, in der sie selber Schuld auf sich laden? Sie haben nicht das moralische Recht, aber eben die wirtschaftliche und politische Macht, sich über Moral und Recht hinwegzusetzen und sie tun das skrupellos. Macht geht also vor Recht.

Egon Bahr schärfte den Heidelbergern Gymnasiasten am 19. Dezember 2013 ein: "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt."

Aus all diesen Gründen bleiben wir dabei:

Hände weg von Venezuela!

Beendigung der Blockade Kubas!

Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften in Ecuador, Chile und anderen lateinamerikanischen Ländern.

Frieden und Sicherheit mit Russland und China!

Venceremos – der Sieg wird unser sein.

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