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22/08/2021

MILENA RAMPOLDI
Afghanistan – eine muslimische Mosaikgesellschaft

Milena Rampoldi, ProMosaik, 22.08.2021

Afghanistan ist eine islamisch geprägte Mosaikgesellschaft, die aus zahlreichen Kulturen, Sprachen, Ethnien und Dialekten besteht. Afghanistan ist reich an Bodenschätzen. Daher ist Afghanistan Zielscheibe ausländischer Imperien, welche die Kontrolle über diesen Reichtum haben möchten. Und wenn diese „Imperien“ abziehen, übernehmen radikale Gruppen im Land die Kontrolle. Das war nach dem Verfall der Sowjetunion so, und es ist heute nach dem Abzug des US-Imperiums wieder so. 


 Die „Talibanen“, die sich unrechtmäßig als Vertreter des orthodoxen Islam bezeichnen, sind nur eine kleine Gruppe dieses Mosaiks, eine ethnische, nationalistische Bewegung der Paschtunen, die sich in das post-sowjetische Machtvakuum gesetzt hat. Dank der Verbindungen zu Waffenhändlern und Schmugglernetzwerken ist es der Gruppe gelungen, ihre Macht auszuweiten. Wenn wir uns ansehen, wo die sogenannten „Talibanen“ ihre Machtzentren führen und dann untersuchen, wo die Bodenschätze des Landes zu finden sind, verstehen wir Einiges, aber dennoch nicht alles.

Die Manipulation des Islam durch die „Talibanen“ und das Unwissen und die Islamfeindlichkeit im Westen führen gemeinsam als interne und externe Kräfte dazu, dass der Islam als Ganzes als Weltbild und als Lebensweise dämonisiert wird. Der Westen spielt sich als der „Befreier“ der muslimischen Frauen in Afghanistan auf und erklärt den „Talibanen“ im Namen der Befreiung der Frauen den Krieg. Was das US-Imperium in Afghanistan aber möchte, ist die Kontrolle der Bodenschätze und warum nicht, auch des weißen Goldes. Wie alle Kriege des US-Imperiums nach 1945 zeigen, geht es den USA ideologisch um die Verbreitung eines kapitalistischen US-Lebensstils, den sie als Verkörperung von Freiheit, Menschenrechten, Feminismus und Humanismus in Einem „verkaufen“.

Kriege werden den Menschen im Westen verkauft. Das manichäische Weltbild unterstützt das Ganze. Denn die Menschen brauchen nicht mehr darüber nachzudenken, wie Afghanistan ist oder wer die Afghanen sind. Es reicht ja, wenn die Talibanen als „anti-demokratische und misogyne Dämonen“ bekämpft werden, um die US-Weltordnung zu bestätigen.

Aber die Eindringung ausländischer Kräfte in ein Territorium, in dem die Bevölkerung sich mit den islamischen Werten und der Tradition des Korans identifiziert, führt zu einer „territorialen“ und „ethnischen“ Auslegung des Islam, die aber dem Islam vollkommen fremd ist.

Der Islam ist kein Territorium, sondern eine Gemeinschaft von Menschen verschiedener ethnischer, sprachlicher und kultureller Herkunft, die einen Glauben in einen Gott, Allah und seinen Propheten Mohammed teilen. In Koran 5:48 heißt es:

„Und wenn Allah gewollt hätte, hätte er euch zu einer einzigen Gemeinschaft (umma) gemacht. Aber er (teilte euch in verschiedene Gemeinschaften auf und) wollte euch (so) in dem, was er euch (von der Offenbarung) gegeben hat, auf die Probe stellen. Wetteifert nun nach den guten Dingen! Zu Allah werdet ihr (dereinst) allesamt zurückkehren.“

Durch Angriffe von außen werden innerhalb einer muslimisch geprägten traditionellen Gesellschaft wie der afghanischen defensive Kräfte des Jihad in Bewegung gesetzt. Afghanistan wird zur islamischen Nation erklärt, die sich dem westlichen Imperialismus widersetzt. Eine Gruppe übernimmt die Herrschaft, repräsentiert den „orthodoxen“ Islam, hebt jegliche multikulturelle Diversität in der Umma auf, und kontrolliert Waffen und Bodenschätze. Gleichzeitig führt sie aber den Jihad gegen den Eindringling aus dem Westen an und macht sich daher in Teilen der Bevölkerung auch beliebt, vor allem wenn sie ethno-kratische Zielsetzungen verfolgt.

Was Afghanistan braucht, ist aber keine ausländische Macht, die über das Schicksal des Landes und seiner Menschen entscheidet und das Land in einen Dauer-Jihad versetzt.

Was Afghanistan nach Jahrzehnten Krieg und Fremdherrschaft braucht, ist Frieden nach einem multi-ethnischen Konzept eines muslimischen Afghanistan voller Kompromisse, voller Diversität und vor allem voller Inklusion. Wie schwer das nach 20 Jahren US- und NATO-Invasion ist, kann sich keiner vorstellen. Aber je mehr bodenschatzdurstige Eindringliche sich eine Schnitte des afghanischen Kuchens abschneiden möchten, desto schwieriger wird es.

Hier ist der Feminismus nicht weiß, nicht westlich und nicht US-demokratisch, sondern afghanisch. Frauen aus allen Volksgruppen werden gemeinsam und inklusiv bestimmen, in welche Richtung die „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ der Frau im multikulturellen, muslimischen Afghanistan aussehen soll. Wenn wir den Feminismus nicht dekolonisieren, wird es immer anti-imperialistische und jihadistische Kräfte geben, die gegen die vom Islam sanktionierten Frauenrechte verstoßen und diese mit Füßen treten, wie es die Taliban tun, die den afghanischen Frauen die muslimischen Frauenrechte verwehren.

Wir brauchen Frieden in Afghanistan und wir brauchen Unterricht für 10 Millionen Kinder, die hier nicht zur Schule gehen. Wir brauchen eine gerechte Verteilung des Reichtums des Landes, um zu vermeiden, dass Millionen von Menschen vor dem Nichts stehen und in die Migration getrieben werden, in Richtung eines Westens, der sie gar nicht will und dessen faschistische Kräfte nur noch stärker werden, je stärker „talibanische“, pseudomuslimische Kräfte werden. 

 

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