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18/10/2023

AMIRA HASS
Deutschland, du hast deine Verantwortung schon längst abgetreten

Amira Hass, Haaretz, 16.10.2023
Übersetzt von Fausto Giudice
, Tlaxcala

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am vergangenen Donnerstag, dass „das Leid und die Not der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nur noch zunehmen werden. Dafür ist auch die Hamas verantwortlich.“ Aber gibt es eine Grenze für diese Zunahme des Leids, wenn man bedenkt, dass Sie und Ihre Kollegen im Westen Israel uneingeschränkt unterstützen?

 Das Brandenburger Tor wurde am 7. Oktober in den Farben der israelischen Flagge beleuchtet. Foto: Fabian Sommer /AP

Werden Sie es hinnehmen, dass 2.000 palästinensische Kinder getötet werden? Sind 80.000 ältere Menschen, die an Dehydrierung sterben könnten, weil es in Gaza kein Wasser gibt, in Ihren Augen eine legitime Zunahme des Leidens?

Sie sagten auch: „Unsere eigene Geschichte, unsere aus dem Holocaust erwachsende Verantwortung macht es uns zur immerwährenden Aufgabe, für die Existenz und für die Sicherheit des Staates Israel einzustehen. Diese Verantwortung leitet uns.“ Aber Scholz, es gibt einen Widerspruch zwischen diesem Satz und dem oben zitierten.

„Leid ... wird nur zunehmen“ ist ein Blankoscheck für ein verwundetes, verletztes Israel, um hemmungslos zu pulverisieren und zu zerstören und zu töten, und riskiert, uns alle in einen regionalen Krieg, wenn nicht sogar in einen dritten Weltkrieg zu verwickeln, der auch Israels Sicherheit und Existenz gefährden würde. Aber „Verantwortung aus dem Holocaust“ bedeutet, alles zu tun, um einen Krieg zu verhindern, der zu Katastrophen führt, die wiederum zu Kriegen führen, die das Leid in einem endlosen Kreislauf vergrößern.

Ich habe dies von meinem Vater gelernt, einem Überlebenden der deutschen Viehwaggons. Schon 1992 sagte er mir jedes Mal, wenn ich aus dem Gazastreifen mit Berichten über die Unterdrückung der Bewohner durch Israel zurückkam: „Es ist zwar kein Völkermord, wie wir ihn erlebt haben, aber für uns war er nach fünf oder sechs Jahren vorbei. Für die Palästinenser geht das Leiden weiter und weiter, seit Jahrzehnten. Es ist eine andauernde Nakba“.

Ihr Deutschen habt eure Verantwortung, die „aus dem Holocaust“ - also aus der Ermordung u.a. der Familien meiner Eltern und dem Leid der Überlebenden - erwächst, längst abgetreten. Sie haben sie verraten durch Ihre vorbehaltlose Unterstützung eines Israels, das besetzt, kolonisiert, den Menschen das Wasser wegnimmt, Land stiehlt, zwei Millionen Menschen im Gazastreifen in einem überfüllten Käfig gefangen hält, Häuser abreißt, ganze Gemeinden aus ihren Häusern vertreibt und die Gewalt der Siedler fördert.

Und all dies geschah unter der Schirmherrschaft eines so genannten Friedensabkommens, das Sie und andere westliche Staats- und Regierungschefs befürwortet haben. Sie haben zugelassen, dass Israel diesem Abkommen in seiner europäischen Auslegung zuwiderhandelt - als Weg zur Errichtung eines palästinensischen Staates in den 1967 von Israel besetzten Gebieten, den viele Palästinenser gerade deshalb unterstützten, weil sie weiteres Leid und Blutvergießen verhindern wollten.

Es gibt keinen Mangel an Diplomaten und Mitarbeitern von Entwicklungsorganisationen, die darüber berichtet haben, wie Hunderttausende junger Palästinenser unter Israels arroganter Unterdrückung und dem Töten von Zivilisten - manchmal tropfenweise, manchmal wellenweise - jede Hoffnung und jeden Sinn für ihr Leben verloren haben. Palästinensische Menschenrechtsaktivisten haben immer wieder davor gewarnt, dass Israels Politik nur zu einer Eruption unvorstellbaren Ausmaßes führen kann. Auch israelische und jüdische Anti-Besatzungs-Aktivisten haben Sie gewarnt.

Aber Sie sind auf Ihrem Weg geblieben und haben Israel die Botschaft übermittelt, dass alles in Ordnung sei - dass niemand es bestrafen oder den Israelis durch energische diplomatische und politische Schritte beibringen wird, dass es neben der Besatzung keine Normalität geben kann. Und dann beschuldigen Sie Israels Kritiker des Antisemitismus.

Nein, diese Kolumne ist keine Rechtfertigung für die Mordorgie und den Sadismus, den die bewaffneten Männer der Hamas verübt haben. Sie ist auch keine Rechtfertigung für die schadenfrohe Reaktion einiger Palästinenser und die Weigerung anderer, die in ihrem Namen begangenen Gräueltaten anzusprechen.

Vielmehr ist es ein Aufruf an Sie, die gegenwärtige Kampagne von Tod und Zerstörung zu stoppen, bevor sie eine weitere Katastrophe über Millionen von Israelis, Palästinensern, Libanesen und vielleicht sogar Bewohnern anderer Länder in der Region bringt.

17/08/2023

USA genehmigen den Verkauf eines israelischen Raketenabwehrsystems im Wert von 3,5 Milliarden Dollar an Deutschland

Yoram Gabison & Reuters, Haaretz, 17.8.2023
Übersetzt von Fausto Giudice, Tlaxcala

Das Arrow 3-System, das als das meist avanzierte seiner Art gilt, soll ballistische Langstreckenraketen abfangen, bevor sie wieder in die Atmosphäre eintreten

Die Vereinigten Staaten haben dem Verkauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow-3 an Deutschland im Wert von 3,5 Milliarden Dollar zugestimmt. Es handelt sich dabei um das größte Verteidigungsgeschäft in der Geschichte Israels, teilte das israelische Verteidigungsministerium am Donnerstag mit.

Die Entwicklung und Herstellung des Systems wurde von der israelischen Luft- und Raumfahrtindustrie, der Israelischen Organisation für Raketenabwehr des Verteidigungsministeriums und der Raketenabwehrbehörde des US-Verteidigungsministeriums geleitet.

In einer für November geplanten Zeremonie werden israelische und deutsche Verteidigungsbeamte eine Verpflichtungserklärung über 600 Millionen Dollar unterzeichnen, um den sofortigen Beginn des Projekts zu ermöglichen. Die Einzelheiten des Vertrags wurden von beiden Verteidigungsministerien vereinbart und liegen der deutschen Regierung zur endgültigen Genehmigung vor.

Der Arrow 3, der als das modernste System seiner Art gilt, soll ballistische Langstreckenraketen abfangen, bevor sie wieder in die Atmosphäre eintreten. Es verfügt über eine so genannte Hit-to-kill-Fähigkeit, die es ihm ermöglicht, das Ziel außerhalb der Erdatmosphäre direkt abzufangen.

Die Waffen, der Raketenabfangschirm und das Radarerkennungssystem des Arrow 3 wurden von der Israel Aerospace Industries unter der Leitung von Präsident und CEO Boaz Levy entwickelt. Die Kommando- und Kontrolltechnologie wurde von der israelischen Firma Elbit Systems entwickelt. Tomer und Rafael Advanced Defense Systems, beide israelische Regierungsunternehmen, sind die wichtigsten Unterauftragnehmer für die Herstellung der Hauptabfangjäger des Systems. Stark Aerospace, ein Unternehmen der Israel Aerospace Industries, ist der Hauptauftragnehmer in den USA.

24/05/2023

ايغون اروين كيش Egon Erwin Kisch
اليهود التونسيون من تونس Die tunesischen Juden von Tunis Les Juifs tunisiens de Tunis

في عام 1926 ، أتيحت الفرصة للصحفي إيغون إروين كيش "المراسل الهائج" للسفر إلى تونس بعد مشاركته في تصوير فيلم في الجزائر ( نهج النساء بالجزائر العاصمة ، حيث لعب دور متسول). هو يهودي من براغ ، يكتب للصحف اليهودية الناطقة باللغة الألمانية ، ولم يفوت فرصة لتعريف قرائه بالمجتمعات اليهودية البعيدة عن أوروبا. بعد قرن تقريبًا ، و حيث اختفى اليهود عمليًا من تونس ، يبدو من المفيد أن نشارككم هذا النص في نسخته العربية لبلال الفالحي، و مراجعة أروى العباسي.

1926 hatte der „rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch, die Gelegenheit, nach Tunesien zu reisen, nachdem er an einem Filmdreh in Algerien teilgenommen hatte (Die Frauengasse von Algier, in dem er einen Bettler spielte). Er selbst war Jude aus Prag, schrieb für deutschsprachige jüdische Zeitungen und ließ keine Gelegenheit aus, seinen Lesern Einblicke in von Europa weit entfernte jüdische Gemeinden zu geben. Fast ein Jahrhundert später, nachdem die Juden in Tunesien praktisch verschwunden sind, erschein es uns interessant, diesen Text in der arabischen Fassung von Bilal Falhi, überprüft von Arwa Abassi, zu teilen. Im Anschluss an diese Übersetzung findet sich die deutsche Originalfassung.

En 1926, le journaliste Egon Erwin Kisch, le “reporter enragé”, eut l’occasion de se rendre en Tunisie après avoir participé à un tournage de film en Algérie (La rue des femmes d’Alger, où il jouait un mendiant). Lui-même juif de Prague, écrivant pour des journaux juifs de langue allemande, il ne ratait jamais une occasion de faire découvrir à ses lecteurs des communautés juives lointaines de l’Europe. Presqu’un siècle plus tard, alors que les juifs ont pratiquement disparu de Tunisie, il nous semble intéressant de partager ce texte dans la version arabe de Bilal Falhi, révisée par Arwa Abassi. On trouvera à la suite de cette traduction la version originale allemande et la version française.


 


22/05/2023

DAVIDE GALLO LASSERE
Neun Thesen zum Internationalismus heute

Davide Gallo Lassere (*1985) ist ein italienischer Philosoph, der mit einer Dissertation über „Geld und Kapitalismus. Von Marx bis zu den Währungen der Allmende“ in Nanterre und Turin im Jahr 2015 dokotrierte. Er ist Professor für Internationale Politik und Leiter der Zulassungsstelle am Pariser Institut der Universität London. Veröffentlichungen. FB

 Auch wir haben zuerst die kapitalistische Entwicklung gesehen und dann die Kämpfe der Arbeiter. Das ist ein Irrtum. Wir müssen das Problem umkehren, das Vorzeichen ändern, vom Prinzip ausgehen: und das Prinzip ist der Kampf der Arbeiterklasse.

(Mario Tronti)

Seit dem 19. Jahrhundert ist der Internationalismus einer der Grundpfeiler der revolutionären Bewegungen, sei es gegen die Sklaverei, das Kapital, die Kolonialherrschaft oder andere. Der Internationalismus als Ausweitung des Kampffeldes über den Nationalstaat hinaus ist neben der Abschaffung des Privateigentums und der Zerschlagung der Staatsform eines der drei Hauptmerkmale der kommunistischen Bewegungen. Betrachtet man jedoch die Weite und Bedeutung der Geschichte der inter- oder transnationalen Bewegungen (je nachdem, ob sie sich innerhalb oder jenseits der nationalen Grenzen entfalten), so ist man überrascht von der Fülle des empirischen und historiografischen Materials im Vergleich zu einer gewissen Armut an Theoriebildung [1]. Man könnte in der Tat behaupten, dass der Internationalismus als historisches und politisches Phänomen grundlegend untertheoretisiert ist. Inwieweit, so könnte man fragen, ist es möglich, wenn nicht eine politische Philosophie, so doch zumindest eine soziale und politische Theorie des Internationalismus zu entwickeln? Oder können wir umgekehrt noch weiter gehen und uns vorstellen, dass es eine spezifische Ontologie und Epistemologie für inter- und/oder transnationale Bewegungen gibt? Und welche Bezeichnung oder Bezeichnungen sind jenseits von nominalen Unschärfen angemessener: Inter- oder Transnationalismus? Subnationaler oder transnationaler Internationalismus (Van der Linden, 2010)? Lokal oder global (Antentas, 2015)? Stark oder schwach (Antentas, 2022)? Materiell oder symbolisch? Revolutionär oder bürokratisch? Kommunistisch oder liberal? Arbeiterzentriert? Feministisch? Antirassistisch? Ökologisch? Ist der Internationalismus ein Mittel oder ein Ziel an sich? Und die Liste ließe sich natürlich fortsetzen [2]...

London, 1864: Gründung der Ersten Internationale

Was jedoch heute mehr denn je von Bedeutung ist - in einer Zeit großer wirtschaftlicher und sozialer Krisen, in der die Winde des Krieges zwischen den Weltmächten wieder wehen, in einer Welt nach der Pandemie und der Überhitzung - ist die Tatsache, dass die strategische Frage des Internationalismus in den sozialen und politischen Bewegungen wieder in den Vordergrund rückt: Es wächst das Bewusstsein, dass diese feindlichen Mächte nicht besiegt werden können, indem wir in willkürlicher Reihenfolge kämpfen, jeder für sich, eingeschränkt innerhalb der Grenzen unserer Nationalstaaten, oder indem wir in den Territorien verankert bleiben und ausschließlich mikropolitische Praktiken ausüben. Wir müssen in der Lage sein, auf der gleichen Ebene wie diese Prozesse zu intervenieren, die per definitionem global und planetarisch sind. Dazu müssen wir in der Lage sein, Argumente und Praktiken zu entwickeln, die den Herausforderungen der Geopolitik, der Governance-Mechanismen, des globalen Marktes, des Klimawandels usw. gewachsen sind. In der Geschichte der radikalen und revolutionären Bewegungen werden solche Überlegungen und Praktiken als Internationalismus und, in geringerem Maße, als Kosmopolitik bezeichnet [3].

  Paris, 14. Juli 1889: Gründung der Zweiten Internationale

Deshalb scheint es heute wichtiger denn je, den Internationalismus neu zu überdenken. Die gute Nachricht ist, dass wir nicht bei Null anfangen. In der Tat waren die 2010er Jahre von zahlreichen Aufständen und Revolten gegen die radikal unsozialen und antidemokratischen Folgen der verschiedenen Krisen (Wirtschaft, Politik, Gesundheit, Klima usw.) geprägt. Die schlechte Nachricht ist, dass das gegenwärtige Jahrzehnt und die kommenden Jahrzehnte durch die Verschärfung der geopolitischen Konfrontationen und die zunehmenden Tendenzen zur ökologischen Katastrophe zunehmend gestört sind und werden. Künftige Kampfzyklen werden in einer Welt entstehen, die zunehmend durch klare Widersprüche und Antagonismen gestört wird. Und sie werden gezwungen sein, in diesem veränderten Kontext zu agieren. Im Folgenden werden daher nur neun einfache Thesen aufgestellt, die auf der Grundlage einiger französischer und europäischer Erfahrungen erarbeitet wurden, um aufzuzeigen, was als Stärken und Schwächen der globalen Bewegungen der 2010er Jahre angesehen werden könnte. Sie sollen ein kleiner und partieller Beitrag zur politischen Debatte sein, die diesen Bewegungen immanent ist, aber auch ein vorläufiger und nicht erschöpfender Versuch, die Frage des Internationalismus auf originelle Weise zu formulieren, um die zweihundertjährige Geschichte der inter- oder transnationalen Kämpfe im Gegenlicht neu zu lesen, von den globalen Resonanzen des Jahres 1789 bis zum veränderten globalistischen Zyklus, über die symbolischen Daten von 1848, 1917 und 1968[4].

 Moskau 1919: Gründung der Dritten Internationale

These 1: Ontologie I: Erdfabrik

Soziale und politische Kämpfe stehen im Mittelpunkt des Übergangs zum Anthropozän. Als Motoren der kapitalistischen Entwicklung sind sie entscheidend für das Verständnis der Prozesse, die die vielfältigen ökologischen Krisen der Gegenwart bestimmen. Anders ausgedrückt: Die Explosion der CO2-Emissionen in die Luft und die fortschreitende Zerstörung der Natur sind eng mit den Klassen- und antikolonialen Kämpfen verknüpft; sie sind ein „Kollateraleffekt“ der kapitalistischen Antwort auf die Sackgassen, die durch die Praktiken des Widerstands und der Gegensubjektion der Subalternen entstanden sind. Die globale Erwärmung zum Beispiel ist das Ergebnis von Antagonismen zwischen menschlichen Gruppen und schürt als solches die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Spannungen noch mehr. Dies ist der Grundgedanke eines Teils der ökomarxistischen Geschichtsschreibung, ihrer Diagnose der Gegenwart und ihrer Aussichten auf einen künftigen Bruch. Die Temperaturveränderung auf der Erde - vor allem durch die kapitalistische Nutzung fossiler Brennstoffe verursacht - ist ein unreines Produkt vergangener und gegenwärtiger gesellschaftspolitischer Konflikte. Ob man nun eine synchrone, globale Sichtweise einnimmt oder sich auf das (vor-)viktorianische England konzentriert, es bleibt klar, dass der Klassenkampf im Mittelpunkt steht. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts  und überall auf der Welt wurde die Einführung fossiler Brennstoffe als primäre Energiequelle der Kapitalakkumulation als Reaktion auf die Ablehnung von Arbeit und die Aneignung von Land durch Arbeiter und Kolonisierte gewaltsam durchgesetzt; es war die Kampfeslust der Ausgebeuteten, die das Kapital und die Regierungen dazu veranlasste, zunächst Kohle und dann Öl und Gas einzuführen. Wie Andreas Malm (2016) und Timothy Mitchell (2013) in bewundernswerter Weise zeigen, sind die Umstellung von Dampf auf Kohle um 1830 und von Kohle auf Öl um 1920 besser als politische Projekte zu verstehen, die auf Klasseninteressen reagieren, denn als wirtschaftliche Notwendigkeiten, die den harten Gesetzen des Marktes unterliegen.

12/04/2023

FAUSTO GIUDICE
Malika wurde im Alter von 8 Jahren von einem französischen Gendarmen getötet: 50 Jahre danach, lebt sie wieder in einem Buch wie ein Faustschlag in den Magen

Fausto Giudice, 11. April 2023
Übersetzung von Helga Heidrich überprüft

I. Präludium

Zugegeben: Meine Generation, die Generation der 68er-Babyboomer, neigt im Allgemeinen dazu, die Generation der Millennials, die Generation ihrer EnkelInnen, herablassend zu betrachten. Oder zumindest ist es so, dass diese und jene oft unsere Veteranenhaltung wahrnehmen.

Ich selbst verurteile nie jemanden, und das hat mich letztendlich viel gekostet. Verrat und Verleumdung sind das allgemeine Los der Menschen, sobald sie eine Gesellschaft bilden. Und ich kann diejenigen meiner jungen FreundInnen, die den Weg der enttechnologisierten Einsiedelei in den Bergen wählen, sehr gut verstehen. Ich habe angefangen, darüber nachzudenken und davon zu träumen, Landgemeinden zu gründen, in denen alle elektronischen oder sogar elektrischen Gegenstände am Eingang unter Bewachung zurückgelassen würden.

Inzwischen verbringe ich zu meiner zunehmenden Verzweiflung einen zu großen Teil meiner verbleibenden Lebenszeit vor meinen Bildschirmen und auf meinen Tastaturen. Vor 25 Jahren haben meine Eingeweide dagegen rebelliert und angefangen zu bluten. Ich habe es geschafft, durch ein unerklärliches Wunder zu überleben. Der Chirurg, der mich das zweite Mal operierte, erzählte mir, dass er, als ich auf dem Operationstisch lag und mein Blutdruck auf null gesunken war, zum Team sagte: „Ich hole mir einen Imbiss, ich denke, wenn ich zurückkomme, wird es mit ihm vorbei sein“. Und wie erstaunt war er, als er bei seiner Rückkehr aus der Kantine feststellte, dass der Itaker noch atmete. Er erklärte mir die medizinische Hypothese, dass meine Blutung im Verdauungstrakt auf das Mallory-Weiss-Syndrom zurückzuführen sei. Das hat mir echt geholfen! Ich antwortete ihm, dass ich meiner Meinung nach eher das Syndrom der virtuellen Revolution auf dem Macintosh hatte. 

Der Schlag, der mir den Rest gegeben hatte, war ein völlig verkorkster Plan einer Gruppe von Idioten aus Marseille, Avignon und Umgebung gewesen, eine „Karawane nach Palästina“ zu machen. Ich fand schnell heraus, dass sie nicht nur abgrundtief ignorant, sondern - das gehört in der Regel dazu - auch furchtbar eingebildet waren. Kurz gesagt: Keine Karawane, weder nach Palästina noch irgendwo anders hin als ins Krankenhaus.

Als ich vor 12 Jahren wieder ins Land zurückkehrte, in dem ich aufgewachsen bin, ohne Fernseher, ohne Computer (den gab es nicht), ohne Handy (das Festnetztelefon meiner Eltern, das in meinem Zimmer stand, klingelte fast nie), erlebte ich einen Schock, eine ganze Reihe von Schocks: In der Medina waren ganze Straßen mit Handwerkern verschwunden, in der Malta-Sghira-Strasse waren alle Schmiedeeisenhandwerker durch Händler ersetzt worden, die schlecht verarbeitete Möbel aus billigem Holz (die Liegestühle, die ich kaufte, hielten kein Jahr) und aus Plastik anboten, und auf dem Zentralmarkt waren die schönen roten Tomaten geschmacklosen orangefarbenen Tomaten aus Hybridsamen made in EU gewichen, die für die EU bestimmt waren. Und acht der zwölf Millionen Einwohner des Landes hatten einen Facebook-Account. Da Telefonabonnements oft mit einem Facebook-Konto gekoppelt sind, kennen viele NutzerInnen (oder Ausgenutzte?) vom Internet nur facebook, wadzapp, youtube, telegram oder jetzt auch tiktok. 

Und es ist überall dasselbe, von Medellín bis Nablus, von Soweto bis Dschebel Lahmar. Ich habe während der Wahlkämpfe, die ich in meinem „Land der Rückkehr“ miterlebt habe, kein einziges Plakat gesehen, das an einer Wand klebte. Keiner der Hunderten von Menschen unter 45 Jahren, die ich in diesen 12 Jahren kennengelernt habe, hat in seinem Leben jemals ein Flugblatt geschrieben und vorbereitet, um es um 5 Uhr morgens an einem Fabriktor oder um 8 Uhr an einem Hochschul-Tor oder um 12 Uhr mittags auf einem Markt oder um 18 Uhr am Ausgang eines Kaufhauses zu verteilen. Kurzum, in wenigen Worten: Wir haben uns vom collé-serré [dicht geklebt, ein Art „schmutziges Tanzen] meiner Jugend zum heutigen copy-paste-post-like-buzz entwickelt. Und die drei Dutzend Giftzwerge, die versuchen, unserem implodierenden Planeten das Gesetz zu diktieren, arbeiten mit Hochdruck (bzw. lassen ihre Haitech-Sklaven schuften) daran, uns nicht mehr zu brauchen, uns also zu vernichten, während sie gleichzeitig ihre Flucht vorbereiten, auf den Mond oder den Mars oder sonst wohin. Vor einigen Jahren gelang es einem genialen Betrüger, Besitzurkunden für Siedlungen auf dem Mond an Israelis zu verkaufen, die spürten, dass das zionistische Projekt endgültig gescheitert war und sie keine andere Wahl hatten, als den Mond zu kolonisieren. Dort waren sie sich zumindest sicher, dass sie sich auf garantiert araberreinem Gebiet befinden würden.

II.                Malika und Malika

Am 5. Juni 2021 erhalte ich eine Mitteilung von Yezid Malika Jennifer: „Guten Abend, Sir. Danke für die Hommage an meine Tante Malika Yezid, die 1973 von Gendarmen getötet wurde [emoji] Guten Abend.“

Am 7. Juni eine zweite Mitteilung:


 „Die Kleine da unten war Malika.

Ich habe Ihr Buch gelesen und als ich den Namen Yezid gesehen habe, der auch mein Name ist, hat mich das im Herzen berührt. Denn diese Geschichte hat meine Familie zerstört. Meine Großmutter hat mir diese Geschichte erzählt. All die (Polizei-)übergriffe, die zerrissenen Familien, es ist schrecklich.  All diese Namen der Opfer: Man darf nie vergessen. Schönen Tag noch“.

 Sie bezog sich auf Folgendes:

 „Am Sonntag, dem 24. Juni, griffen Gendarmen in Fresnes auf der Suche nach einem 14-jährigen algerischen Jungen, der ihnen entwischt war, dessen kleine Schwester an. Malika Yazid spielte im Hof der Übergangswohnsiedlung Les Groux in Fresnes, in der sie lebte. Sie ging in die Wohnung, um ihren Bruder zu warnen. Die Gendarmen stürmten in die Wohnung.

Nachdem einer von ihnen Malika eine Ohrfeige gegeben hatte, schloss er sie in einem Zimmer ein, um sie zu „verhören“. Eine Viertelstunde später kommt Malika aus dem Zimmer und bricht auf dem Boden zusammen. Sie stirbt vier Tage später im Krankenhaus Salpétrière, ohne aus dem Koma erwacht zu sein.“

Dies sind die elf Zeilen, die ich der kleinen Malika widmete, die im Alter von acht Jahren von einem Gendarmen zu Tode geohrfeigt wurde, in diesem schrecklichen Sommer 1973, der härtesten Sequenz der zwei Jahrzehnte der Arabizide, die ich in meinem Buch mit diesem Namen, das 1992 erschien, rekonstruiert habe. Dieses Buch war eine Selbstverständlichkeit gewesen, die sich während der Arbeit an meinem vorherigen Buch, Têtes de Turcs en France, das 1989 als französische Folge von Günter Walraffs Ganz Unten erschienen war und einen gewissen Erfolg hatte (über 25.000 verkaufte Exemplare, damals las man noch auf Papier gedruckte Bücher), herauskristallisiert hatte. Eine schmerzhafte Erkenntnis: Es war unmöglich, auch nur ein einziges Kapitel von Têtes de Turcs (in dem jedes Kapitel ein Beispiel für die Apartheid nach französischem Vorbild beschrieb: Arbeit, Gesundheit, Schule, Wohnung usw.) den damals so genannten „rassistischen Verbrechen“ zu widmen. Es gab einfach zu viele davon. Daher hatte ich beschlossen, ihnen ein eigenes Buch zu widmen. Zwei Jahre lang war das Wohnzimmer meiner Bruchbude in Ménilmontant mit einem langen Brett auf zwei Stühlen abgesperrt, auf dem sich die gelben Aktenmappen nach Fällen und Jahren aufhäuften. Kurz gesagt, ein materielles Vorspiel (Holz, Tinte, Papier) für die Excel-Tabellen der nahen Zukunft.

Am Ende hatte ich 350 Fälle binnen 21 Jahren, das heisst 16,6 pro Jahr, 1,3 pro Monat. Das waaren Peanuts im Vergleich zu den Negriziden in den USA. Aber um Himmels willen, wir sind hier nicht bei den Yankees, wir sind in der Wiege der Menschen- und Bürgerrechte, alle Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren usw. usw., die gerade auf den Champs-Élysées mit der Parade von Jean-Paul Goude zum 200. Jahrestag der Großen Revolution mit großem Pomp gefeiert wurden! Ich muss zugeben, dass ich im Laufe dieser zwei Jahre intensiver Ermittlungsarbeit mehr als einmal von Depressionen und Fluchtgedanken geplagt wurde, vielleicht nicht auf den Mond, aber auf jeden Fall weit weg von Madame la France, wie die MaghrebinerInnen sagten (in Anspielung auf den 100-Francs-Schein mit dem Bildnis der halb enthüllten Freiheit, die das Volk anführt).

Die schlimmsten Momente waren die Gerichtsverhandlungen, in denen arme arabische Familien einen zweiten Tod erlebten, der ihnen von der Mehlmäulerfront zugefügt wurde: Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Angeklagte Hand in Hand, und die Geschworenen - wenn es sich um Assisen handelte - völlig sprach- und fassungslos. Ich habe nie gehört, dass ein Geschworener während eines dreitägigen Prozesses auch nur ein Wort gesagt hat. Man fragt sich, wozu diese sog. Volksgeschworenen überhaupt da sind.

Malikas Familie musste das nicht durchmachen: Der Fall wurde schnell zu den Akten gelegt. Aber auch sonst blieb ihr nichts erspart. Jennifer Malika Fatima ist eine der beiden einzigen Überlebenden der Familie, die durch Hogra (Verachtung, Herabstezung), Drogen, Kriminalität und hinter all dem die Übergangssiedlung dezimiert wurde. Die Übergangssiedlung Les Groux in Fresnes, nur einen Steinwurf vom Knast entfernt („praktisch“, wie ihr Onkel Nacer, der einzige andere Überlebende, feststellt, der ihn gekostet hat), ein Provisorium, das sich in die Ewigkeit zog. Nach dem Selbstmord ihrer Mutter wurde sie zusammen mit ihrer Großmutter ihrem Schicksal überlassen und mit 18 Monaten in eine vollblutgallische Pflegefamilie gesteckt. Dort blieb sie 30 Jahre lang und entkam schließlich ihrem Schicksal, nachdem sie an allen üblichen Gefahren vorbeigeschrammt war, die auf Kinder aus rassisierten gefährlichen Klassen lauern.

Und nun kommt am 7. April IHR BUCH heraus! Ein wahres Ereignis! Ich will es nicht verderben, sondern nur so viel sagen: Dieses Buch ist bis heute die beste mir bekannte Erfüllung des Wunsches, den ich mir bei der Veröffentlichung meines eigenen Buches Arabicides gemacht hatte. Ich war mit dem Endergebnis meiner Arbeit nicht zufrieden, ich träumte von Truman Capotes Kaltblütig, der jahrelang mit zwei jungen Mördern in ihrem Todestrakt verkehrt hatte und daraus ein Meisterwerk herausgebracht hatte. Und ich hätte gerne Täter von Arabziden und ihre Angehörigen ausgequetscht, aber ich fand keine. Aber gut, ich war nicht Truman Capote, La Découverte war kein großes New Yorker Haus, das Detektive bezahlen konnte, ich war nur ein obskurer, „islamolinksradikaler“ Journalist, Italiener („Ach! Sie sprechen aber gut Französisch“ – „Du sagts es, Du Arsch, Französisch ist unsere Kriegsbeute“), herausgegeben von einem Verlag mit glorreicher Vergangenheit (François Maspero), aber kritischer Gegenwart (er sollte später von einem multinationalen Konzern aufgekauft werden), kurzum, ich hatte mir gesagt, dass meine Arbeit ein Mindestdienst an den künftigen Generationen sei, die diese Geschichte hinterfragen und darin graben wollen würden.

Dreißig bis fünfzig Jahre später ist genau das passiert. Es sind immer die dritten Generationen, die die Vergangenheit aus der Versenkung holen: Das gilt für die Armenier, die europäischen Juden und alle anderen. Es ist die Generation der Enkelkinder der Opfer massiver, konzentrierter oder verdünnter staatlicher Verbrechen, die die kollektiven traumatischen Erfahrungen wiederbelebt und an die nachfolgenden Generationen weitergibt. Jennifer Malika Fatimas Buch ist meines Wissens das erste dieser Art, das auf den Erinnerungen, Gesprächen und unglaublichen Archiven beruht, die ihre Großmutter, eine (angeblich) analphabetische Kabylin, sorgfältig aufbewahrt und geordnet hat.

Es ist keine akademisch formatierte Doktorarbeit, die für den Durschschnittmenschen in der Regel unlesbar ist, wenn sie ihm überhaupt zugänglich ist. Es ist ein Schlag, den man in den Magen bekommt. Sobald ich es erhielt, schluckte ich es mit Haut und Haaren und war nach zwei Stunden fertig. Dann flüchtete ich mich groggy in ein Wiederkäuen für einige Wochen. Zeit, um zu verdauen. Dies ist das Ergebnis meiner Verdauung, da ich mir vorgenommen hatte, diese unkonventionelle Buchbesprechung zum Erscheinen des Buches am 7. April zu veröffentlichen.

Das Buch, bei dem Jennifer Malika Fatima von der Schriftstellerin Asya Djoulaït bei der Formatierung des Manuskripts und dem Historiker Sami Ouchane bei der Präsentation der Dokumente aus den Archiven - die nicht versucht haben, ihr eine akademische Formatierung aufzuzwingen - auf schwesterliche/bruderschaftliche und respektvolle Weise unterstützt wurde, ist wunderbar mit einem Nachwort der lieben Rachida Brahim versehen, einem weiteren leuchtenden Sternchen der neuen Generationen, zu denen ich mir gesagt hatte, dass mein Buch sprechen könnte. Das Buch wurde sorgfältig und vorbildlich von einem jungen feministischen Verlag in Marseille herausgegeben, Hors d'atteinte [Ausser Reichweite], den ich mit Begeisterung entdeckt habe und dessen Katalog meine Speicheldrüsen so sehr durcheinander gebracht hat, dass ich morgen einen Termin bei meinem Zahnarzt habe, um eine Mukozele entfernen zu lassen.

Bravo, meine Damen, Sie haben mich endgültig von jeder Versuchung zur Herablassung geheilt. Ich glaube, wir gehören derselben Spezies an: der Spezies der Menschen, die nicht wissen, wovon man redet, wenn man sagt: Renten. Ich möchte mit dem Satz Nietzsches schließen, der mein Buch beendete: „Der Mensch des langen Gedächtnisses ist der Mensch der Zukunft“.

Zögert also nicht und eilt zu Eurer örtlichen Buchhandlung (vergisst bitte Amazonzon*!) und bestellt das Buch, wenn Ihr Französisch lesen könnt (es wird von Harmonia Mundi vertrieben). Wenn nicht, werdet Ihr auf eine deutsche Fassung warten müssen. Wir arbeiten daran. Interessierte Verlage können sich an tlaxint[at]gmail.com  wenden.

 

Papier Großformat 15€ - Elektronisch 11,99€

Anmerkung

*Zonzon ist ein altes französisches Wort, das Summen bedeutet, aber in der französischen Umgangssprache als Substantiv Knast (durch Apherese von prison) und als Adjektiv meschugge bedeutet. Und tasächlich ist das Imperium von Jeff Bezos ein summender Knast.

27/02/2023

CARSTEN HANKE
Aufstand für den Frieden

Carsten Hanke, 26.2.2023

Rostock-Berlin - In zunehmendem Maße spiegelt sich die ablehnende Meinung der Bevölkerung der BRD in Bezug auf den Kriegskurs der Bundesregierung und der medialen Berichterstattung der bürgerlichen Medien, in Aktionen auf der Straße in vielen Städten, wieder. Besonders deutlich wurde es am 1. Jahrestag des militärischen Eingreifens Russlands in das seit 2014 von der Kiewer Regierung praktizierte Morden an der eigenen Bevölkerung in den Gebieten Donezk und Lugansk. Nach Aussagen von UN-Beobachtern sind dort seitdem mindestens 14.000 Menschen bei den Angriffen getötet und soziale Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und weitere wichtige Einrichtungen für die Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung zerstört worden.

Ich möchte nur an Hand von zwei Beispielen deutlich machen, dass immer mehr Bürger der Bundesrepublik ihre ablehnende Haltung zum Kriegskurs der Bundesregierung auch öffentlich mit verschiedenen Friedensaktionen zum Ausdruck bringen. Dabei lassen sich diese friedensliebenden Menschen auch nicht von medialen Diffamierungen mehr abhalten, wie es im Vorfeld des Manifestes für den Frieden von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht wiederholt geschehen ist. Dieses Manifest für den Frieden wurde nicht nur von namhaften Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Erstunterzeichner unterstützt, sondern auch in kürzester Zeit von über 600.000 Menschen.


 Zuerst fand eine solche Friedensmanifestation am Freitag, dem 24. Februar um 17 Uhr auf dem Pariser Platz, unmittelbar vor dem Brandenburger Tor und der USA-Botschaft in Berlin, statt. Aufgerufen zu dieser Friedensaktion hat seit Wochen bereits die Berliner Friedenskoordination, die schon seit vielen Jahren mit verschiedenen Friedensaktivitäten sich für den Frieden weltweit einsetzt. In diesem Bündnis agieren verschiedene Organisationen gemeinsam, so u.a. sind unsere Mitglieder der Gesellschaft für Frieden und internationale Solidarität (GeFiS) im Raum Berlin dort unterstützend aktiv.

Am 24.02.2023 waren ca. 1.000 Demonstranten dem Aufruf der Berliner Friedenskoordination (FRIKO) unter dem Motto „Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen!“ gefolgt, den 18 Friedensgruppen gemeinsam verfasst hatten. Neben namhaften Rednern, z.B. der Initiatoren des „Darmstädter Signal“, wo aktive und ehemalige Bundeswehroffiziere und Soldaten sich stets für die friedliche Konfliktlösung einsetzen, wurde u.a. auch mit kulturellen Gesangseinlagen von Diether Dehm zu Protesten gegen den Krieg und für den Frieden aufgerufen, um aktiv zu werden.

 
Am Rande dieser Veranstaltung hatten immer wieder einige Passanten versucht, lautstark diese Friedensdemonstration provokant zu stören. Bei verschiedenen unsererseits praktizierten deeskalierenden Maßnahmen, wie der ruhigen Gesprächsführung, wurde wiederholt festgestellt, dass diese sogenannten Unterstützer für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine nicht nur geschichtliche Defizite hatten, sondern sich auch nur einseitig informierten. Trotz einiger bösartiger Beschimpfungen führten unsere deeskalierenden Bemühungen zum Erfolg und verhinderten so mögliche körperliche Auseinandersetzungen.


Am 25.02.2023 um 14 Uhr fand die angekündigte Großveranstaltung der Initiatoren Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sowie Brigadegeneral a.D. Erich Vad auf der Westseite des Brandenburger Tors in Berlin statt.

Bei der Ankündigung der Demonstration wurde ausdrücklich auf den Verzicht des Zeigens von Symbolen wie Fahnen etc. von Parteien hingewiesen und dass Parteimitglieder der rechten AfD und weiterer rechtsextremer Gruppierungen nicht erwünscht sind. Die Veranstalter selbst hatten nach eigenen Aussagen mit einer Teilnehmerzahl von ca. 10.000 Menschen gerechnet. Aufgrund der Tatsache, dass bundesweit die Teilnehmer extra angereist waren (weitere Mitglieder des GeFiS sind organisiert mit Bussen aus Rostock und Umgebung angereist), musste der Beginn der Manifestation um ca. 10 - 15 Minuten verschoben werden.

Selbst hatte ich versucht den gesamten Demonstrationsplatz zu begehen, um Fotos zu erstellen und musste mein Vorhaben abbrechen, weil die Teilnehmer so eng standen, dass ein Durchkommen nicht möglich war. Nach Aussagen von weiteren Teilnehmern kamen auch mit 40 Minuten Verspätung noch Teilnehmer zu Kundgebung. Die von der Polizei und den Medien mehrfach wiederholt gemeldete Teilnehmerzahl von 13.000 entsprach bei Weitem nicht den Tatsachen und gibt einen weiteren Beleg dafür, dass nicht wahrheitsgemäß berichtet wird, wenn es nicht in ihrem Interesse liegt.

Die zahlreich geführten spontanen Gespräche mit den Besuchern der Demonstration waren geprägt von der großen Sorge, dass immer weitere Waffenlieferungen nur Rüstungsprofite, aber keinen Frieden bringen. Verhandlungen auszuschlagen zeugt nicht von Friedenswillen, sondern gefährdet das Leben. Den Teilnehmern ist bewusst, dass die Sanktionen und der Wirtschaftskrieg Deutschland schaden und jeder Bürger dieses bereits jetzt schon zu spüren bekommt. Sie prangern die Bundesregierung an, dass sie mit ihrer Kriegsrhetorik verantwortlich für Inflation und wirtschaftlichen Niedergang sind.

Vielen Besuchern der Demo sind Nato-Befehlshaber Stoltenbergs Worte „lieber einen Atomkrieg als einen Sieg Russlands in der Ukraine“ im Bewusstsein. Um deutlich zu machen, dass sie gegen den atomaren Wahnsinn, gegen Dark Eagle, gegen die deutlich umfangreichere atomare Ausstattung mit US-Atomwaffen in Europa und besonders in Deutschland sind, sind sie aktiv geworden. Sie wollen gegen diesen Wahnsinn öffentlich ein Zeichen setzen, um auch gleichzeitig jene Bürger aufzurufen, die noch passiv sind, endlich auch aktiv zu werden.

Die von der Politik im Gleichklang mit den bürgerlichen Medien betriebene spalterische Hetze, die Veranstaltung sei „rechtsoffen“, wurde nicht nur im Vorfeld der Manifestation sondern auch während der gesamten Veranstaltung ad absurdum gestellt.

Es war eine machtvolle Demonstration für den Frieden und gegen die Bundesregierung und ihren praktizierten Kriegskurs mit der ständigen Waffenlieferung an die Ukraine. Das wurde u.a. auch durch die mehrfach lautstarke Forderung der Demonstrationsteilnehmer deutlich, die  „Baerbock muss weg!“skandierten.

 

Carsten Hanke: Selbstdarstellung

Ich bin 1960 in der DDR in Rostock geboren. Hatte eine 10 Klassen Oberschule absolviert und danach Dreher, Bohrer, Fräser also Metallbauer gelernt. Bin dann zur Volkspolizei gegangen und habe von Grund an alle Dienstgrade durchlaufen, habe dort studiert und wurde Offizier. Nach der sogenannten Wende 1990, hat der Westen unsere Abschlüsse nicht anerkannt und da ich ohnehin nicht im kapitalistischen System bei den Sicherheitsorganen dienen wollte und womöglich noch Nazi-Demos schützen müsste, habe ich den Dienst bei der Polizei verlassen. Bin zur Ordnungsbehörde gegangen und habe nochmal 2 Jahre studiert für den gehobenen Beamtendienst. Da ich aber zu links war, hat man einen "inoffiziellen " Weg gefunden, mich loszuwerden. Dann bin ich in die Wirtschaft gegangen und bin 1997 wegen meiner Knochenerkrankung vorzeitig in Rente geschickt worden. Für die Anerkennung meiner Krankheit hatte ich 4 Jahre mit einem Anwalt vor Gericht um meine Rechte kämpfen müssen und gewonnen. Seitdem war ich stets politisch aktiv und habe mit Freunden 2020 die Organisation "Gesellschaft für Frieden und internationale Solidarität" (GeFiS) gegründet, wo wir die fortschrittlichen Ktäfte Lateinamerikas unterstützen und haben mit der Solidaritätsaktion "Medizin für Venezuela" angefangen. Ich war vom Wahlrat 2019 als einziger Deutscher als Wahlbeobachter zu den Parlamentswahlen in Venezuela eingeladen worden und 2021 mit 3 weiteren Vertretern erneut als wahlbeobachter bei den Kommunahlwahlen. Ich war als Vertreter der NGO´s ausgewählt worden.@HankeCarsten