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02/11/2021

CHRISTOPHE KOESSLER
Nach dem verdächtigen Tod von Alfredo Camelo: kolumbianische Flüchtlinge in der Schweiz werden von Paramilitärs bedroht

 Wir veröffentlichen die Übersetzung dieser zwei Artikel aus der Genfer Tageszeitung Le Courrier, die bei allen kolumbianischen Flüchtlingen in Europa und anderswo sowie bei allen Personen, die die Rechte der Völker und der Menschen verteidigen, Besorgnis erregen sollten.-Tlaxcala

Bedrohung für KolumbianerInnen in der Schweiz

 Christophe Koessler, Le Courrier, 27-10-2021
Übersetzt von Alexia Ertl-Bunke, Tlaxcala

Christophe Koessler ist Journalist bei der Schweizer Tageszeitung Le Courrier. @ChrisKoessler

Der Genfer Aktivist Alfredo Camelo, der im September tot aufgefunden wurde, soll mit einer Schusswaffe erschossen worden sein. Diese Informationen sind mit Vorsicht zu genießen, aber sie sind Teil einer wachsenden Bedrohung für kolumbianische AktivistInnen.

Im Mai 2021 riefen die Demonstranten die Vereinten Nationen und die Schweizer Behörden auf, von Bogotá die Achtung des menschlichen Lebens und des Demonstrationsrechts zu fordern. Foto Alle Rechte vorbehalten

Am Sonntagmorgen fand ein bekannter schweizerisch-kolumbianischer Aktivist in Genf auf der Felge seines Autos die Aufschrift „AUC“, für Autodefensas unidas de Colombia (Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens), den Namen der rechtsextremen paramilitärischen Miliz. In Kolumbien kommt die Inschrift einer Todesdrohung gleich. Bei näherer Betrachtung stellt der Menschenrechtsverteidiger in Begleitung eines Polizeibeamten fest, dass sein Reifen durch eine Lochung beschädigt wurde, die dazu führen könnte, dass er platzt, wenn das Fahrzeug mit voller Geschwindigkeit losfährt - diese Hypothese wird dem Aktivisten zufolge von dem Polizeibeamten erwähnt. „Für mich ist das ein Anschlag auf mein Leben und das meiner Familie“, sagte der Aktivist, der gestern Anzeige erstattete.

Der Fall hat einen besonderen Nachhall, da Le Courrier fast zur gleichen Zeit eine weitere Information erhielt, die noch überprüft werden muss. Der kolumbianische Aktivist Alfredo Camelo, dessen Leiche Anfang September am Ufer der Rhône gefunden wurde, war angeblich mit einer Schusswaffe erschossen worden. Wir haben dies von einer Polizeiquelle erfahren, die sich wahrscheinlich versehentlich einer der Redaktion bekannten Person anvertraut hat.

Gerücht oder Information? Zum jetzigen Zeitpunkt steht fest, dass mehr als anderthalb Monate nach den Ereignissen die Ermittlungen zu den Umständen seines Todes, mit denen die Genfer Staatsanwaltschaft betraut ist, noch nicht abgeschlossen sind. Wenn es ein Selbstmord war, warum braucht die Justiz dann so lange, um diese Theorie zu bestätigen, fragen die Angehörigen?

Auf Anfrage von Le Courrier antwortete die Staatsanwaltschaft, die als einzige befugt ist, sich zu diesem Fall zu äußern, dass sie „angesichts der laufenden Ermittlungen, die darauf abzielen, die Umstände und Ursachen des Todes zu ermitteln, keine Informationen weitergibt“.

Paramilitärs in der Schweiz?

Das beruhigt weder die GenossInnen und FreundInnen von Alfredo Camelo noch erst recht nicht die kolumbianischen Aktivisten, die in der Schweiz zahlreich sind. Am 27. September reichte Nationalrätin Stéfanie Prezioso (Grüne Fraktion/Ensemble à gauche) eine Anfrage an den Bundesrat ein, in der sie ihre Sorge um die Sicherheit der politischen Flüchtlinge in unserem Land nach dem Tod des Aktivisten zum Ausdruck brachte.

In ihrer Antwort erklärte die Schweizer Regierung, sie sei über den Fall Camelo nicht informiert worden. Ganz allgemein, ohne sich zur Sicherheit der kolumbianischen Exilanten zu äussern, antwortete sie summarisch: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Personen, die den kolumbianischen Paramilitärs nahe stehen, in der Schweiz aufhalten“.

In den letzten Wochen haben andere Ereignisse diese Hypothese bestätigt. Letzten Donnerstag wurde ein Zoom-Treffen von Mitgliedern der Partei Colombia Humana in der Schweiz von einem Mann geknackt, der die Teilnehmer und ihre Familien mit dem Tod bedrohte und sich dabei der mafiösen und unverschämten Sprache der Paramilitärs bediente.