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11/09/2025

Genozid in Gaza: Welche Waffen liefert Deutschland an Israel?
Ignacio Rosaslanda im Gespräch mit Shir Hever

 

Ignacio Rosaslanda, Journalist der „Jungen Welt“: Danke, dass du mit uns heute redest. Äh, kannst du dich bitte ganz kurz vorstellen?

Dr. Shir Hever: Gerne. Ich heiße Shir Hever. Ich bin Forscher der Rüstungsindustrie, israelische Rüstungsindustrie. Ich bin Unterstützer der BDS-Bewegung. Ich komme ursprünglich aus Jerusalem und jetzt wohne ich in Deutschland.

Ignacio Rosaslanda : Heute sind wir hier in Leipzig. Kannst du mir ein bisschen erklären, warum ist wichtig heute hier zu sein?

Dr. Shir Hever: Es gibt hier einen Verdacht, dass am Flughafen hier in Leipzig auch Waffen nach Israel geliefert werden. Das ist noch in Recherche, aber der Protest ist überall gegen alle Waffenlieferungen, nicht nur hier in Leipzig. Es gibt Proteste überall in Deutschland. Das ist sehr beeindruckend, dass so viele Menschen in Leipzig aktiv sind und engagieren gegen Rüstungsgeschäfte mit Israel. Und wir sehen hier, ich glaube, mehr als 1000 Leute.

Jetzt als Israel einen Völkermord in Gaza führt, kommt ungefähr ein Drittel der Waffen aus Deutschland, und das ist ein Verstoß gegen das internationale Völkerrecht.

Ignacio Rosaslanda : Was für Waffen sind das, die Deutschland nach Israel schickt?

Dr. Shir Hever: Es gibt sehr viele Mengen von Waffen, die Deutschland schickt, von U-Booten bis zu Drohnen, von Panzerabwehrraketen bis zu Kriegsschiffen, die Gas bombardieren. Viele von diesen Waffen sind in Gaza benutzt. Die meisten von den Waffen sind in Gaza benutzt. Und laut internationalen Abkommen ist es verboten, diesen Handel mit Israel zu führen. Nicht nur die Waffen nach Israel zu verkaufen, sondern auch Waffen aus Israel zu kaufen oder Waffen nach Israel zu transportieren. Das macht Deutschland auch. Deutschland kauft auch Waffen von Israel. Deutschland kauft und transportiert Waffen aus den USA durch den Ramstein-Flughafen zum Beispiel oder auf deutschen Schiffen.

Ignacio Rosaslanda : Wir waren vor einigen Wochen in Ulm, in der Stadt, wo die Elbit-Fabrik ist. Wir haben auch hier Rheinmetall. Wie groß ist die Industriebeteiligung hier in Deutschland?

Dr. Shir Hever: Deutschland überhaupt ist der vierte oder fünftgrößte Waffenexporteur der Welt, also viel größer sogar als Israel. Die Elbit Systems und auch die anderen zwei großen Rüstungsfirmen in Israel, IAI und Rafael, haben Tochterfirmen in Deutschland. Und das ist sehr wichtig für die israelische Armee. Sie verkaufen Waffen an die Bundeswehr, aber auch produzieren Teile von Waffen, die sie nach Israel schicken. Und das ist natürlich verboten. Deutschland muss das verbieten. Die Erklärung von Merz soll auch für die israelischen Tochterfirmen in Deutschland gelten, also in Ulm und anderswo. Aber ich glaube, dass die Interessen der deutschen Rüstungsindustrie so stark sind, dass es nicht so einfach ist, sie zu stoppen. Aber andererseits, die Menschen, die davon sehr viel profitieren wollen bei großen deutschen Firmen wie Rheinmetall oder MTU oder RENK, sie wollen auch nicht im Gefängnis landen, und wenn sie etwas komplett illegal machen, das wird das Ergebnis sein.

Ignacio Rosaslanda : Wir sehen jeden Tag Bilder von Raketen, die Gaza zerstören. Wie können wir wissen, ob das diese Bomben oder diese Missiles oder diese Raketen von deutscher Herkunft sind?

Dr. Shir Hever: Also, das ist sehr schwer zu wissen, weil was Israel macht nach jedem Bombardement: Sie schießen die 155-mm-Granaten, um die Spuren zu zerstören, sodass wir die Schrotte von Geräten nicht finden. Manchmal aber finden wir doch. Am 1. Juli 24 hat ein palästinensischer Journalist ein Stück von einer Rakete fotografiert. Dort gab es ein kleines Stück, auf dem steht "Made in Germany". Das war von einer Firma in Fulda. Die Firma heißt Jumo. Sie produzieren Klimaanlagen. Aber dieser Druckregler von der Klimaanlage wurde von Israel benutzt für eine Rakete, die im Westjordanland, nicht in Gaza, benutzt wurde gegen die Flüchtlingslager in Jenin und das ist natürlich verboten. Das bedeutet, diese Druckregler müssen als Dual-Use, also Doppelzweck-Produkte, bestuft werden, und diese Firma Jumo, wenn sie weiter diese Produkte verkauft, das ist illegal, sie müssen dann bestraft werden.

Ignacio Rosaslanda : Ab wann würde man sagen können, dass sie das machen? Ist es strafbar für diese Leute, für die Firmen, aber auch für die Politiker? Was brauchen wir?

Dr. Shir Hever: Ja. Also, Israel hat immer behauptet, die Besatzung ist kurzfristig, und dann ist laut der vierten Genfer Konvention militärische Besatzung erlaubt für kurze Fristen. Natürlich geht das nicht mit den illegalen Siedlungen, aber die Waffenlieferung war eine eigenständige Sache. Jetzt aber hat am 29. Dezember 23 Südafrika Israel geklagt mit dem Vorwurf von Völkermord, und am 24. Januar 24 hatte der IGH einen Befehl gegeben: Israel muss aufhören mit den Akten unter der Konvention gegen Völkermord. Und sofort, in der Sekunde, dass Israel diesen Befehl gebrochen hat, also nicht gefolgt ist, schon am 24. Januar 24, das verursacht eine Verpflichtung an Drittstaaten wie Deutschland, die Waffen sofort zu stoppen. Seit diesem Moment bricht Deutschland gegen das internationale Völkerrecht.

Dazu gibt es aber weitere Schritte. Zum Beispiel am 19. Juli 24 hat der IGH ein Gutachten geschrieben, dass die Besatzung als solche ist illegal. Israel darf nicht mehr sagen, das ist nur kurzfristig. Das ist nicht kurzfristig, das muss sofort beendet werden, und Drittstaaten sind gezwungen, Sanktionen zu üben gegen Israel und Waffenlieferungen zu stoppen. Und Deutschland hat leider dieses Urteil auch ignoriert.

Ignacio Rosaslanda : Was kauft Deutschland denn von Israel?

Dr. Shir Hever: Sehr viele Sachen. Aber das größte Geschäft ist das Arrow-3-System. Das ist eine Abwehrrakete, die Israel produziert an Deutschland für Deutschland gegen mögliche Raketenangriffe. Das ist ein ungetestetes System. Man weiß nicht, ob das funktioniert oder nicht, aber Deutschland war bereit, schon 4 Milliarden Euro für dieses System zu bezahlen. Das ist sehr, sehr viel. Das ist der größte Rüstungsexport in der Geschichte Israels. Und das war unterschrieben 10 Tage im Oktober, nach der berühmten Rede vom israelischen Verteidigungsminister damals, Joav Galant, der sagte, dass Palästinenser in ihnen menschliche Tiere seien und bekommen kein Wasser, kein Nahrungsmittel, keine Medikamente. Also das war seine Erklärung auf Völkermord. 10 Tage danach hat Deutschland ihn eingeladen, Boris Pistorius, Verteidigungsminister, um ein Geschäft für dieses Arrow-3 zu unterschreiben. Es gibt noch viele andere Waffen, die Israel an Deutschland verkauft. Aber das wäre eine große Liste, leider.

Ignacio Rosaslanda : Okay. Und warum denkst du, das ist wichtig, dass wir heute hier sind am Flughafen?

Dr. Shir Hever: Ich glaube, dass die Erklärung von Merznicht möglich wäre, wenn er nicht verstanden hätte, dass die Meinung in Deutschland sich ändert, dass die Mehrheit in Deutschland ist gegen die Waffenlieferungen und gegen den Völkermord. Und wenn er also jeden Druck, den wir aufbauen, hat ein Ergebnis. Seine Erklärung war nur ein erster Schritt, das ist natürlich nicht genug. Aber wenn wir weiter protestieren, weiter marschieren und demonstrieren, dann werden weitere Schritte kommen. Wir sehen das schon in anderen Länder. Also Deutschland ist sehr hinter der ganzen Welt hier, aber das kommt näher und näher. Ich habe gestern gelesen, der Außenminister von Niederlande, Kaspar Veldkamp, ist aus der Regierung ausgetreten, weil er wollte scharfe Sanktionen gegen Israel, die seine Regierung nicht akzeptiert hat. Also, sie wollten weniger Sanktionen. Das heißt, das kommt bis zur Grenze von Deutschland, bis zu den Niederlanden. Deutschland ist dran.

Ignacio Rosaslanda : Vielen Dank.

Flughafen Leipzig/Halle, 23-8-2025