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04/10/2025

THE DITCH
Wieland, ein mit dem NS-Regime verbundenes Unternehmen unter den Lieferanten einer über 500-Tonnen-Munitionssendung nach Israel

THE DITCH, 2.10.2025
Übersetzt von  Tlaxcala

Ein mit dem NS-Regime verbundenes Unternehmen gehört zu den Lieferanten von 563 Tonnen Bombenhülsen und Munition, die für Israel bestimmt sind und sich derzeit an Bord eines Schiffes in einem US-Hafen befinden.

Es handelt sich um die größte jemals identifizierte Munitionslieferung nach Israel – auf dem Weg zum größten Waffenlieferanten der israelischen Landstreitkräfte – wie The Ditch berichtet.

Protest in Wilmington am 5. Oktober

Die Ocean Gladiator verließ Paulsboro am 3. Oktober in Richtung Ashdod [erster Anlaufhafen: Wilmington] mit Munition der Wieland Group, die in den frühen 1940er-Jahren  „enorm von Rüstungsaufträgen“  des Regimes Adolf Hitlers profitierte.


The Ditch berichtete bereits letzten Monat, dass ein weiteres Schiff, das im August denselben Hafen verließ, 374 Tonnen Bombenhülsen mit Ziel Israel durch EU-Gewässer transportierte.

Die bislang größte Lieferung

Im vergangenen Jahr kaufte die in Deutschland ansässige Wieland Group – deren ehemaliger CEO Karl Eychmüller Mitglied der NSDAP war und sogar deren Braunhemd-Uniform trug – die ehemalige American Brass-Fabrik in Buffalo, New York.

1939 empfängt Karl Eychmüller NS-Größen zum Werksbesuch. Laut einer offiziellen Website des Unternehmens, „dies ist die einzige – und angeordnete – Gelegenheit, zu der er die Uniform eines „SA-Reitersturmführers“ trägt“

Laut den von The Ditch aufgedeckten Versandunterlagen liefert die Fabrik im Norden des Bundesstaates New York mehr als 162 Tonnen Messinghülsen für Munition an das Werk in Ramat Hasharon, das Elbit Systems gehört.

Die Munition der Wieland Group befand sich am Sonntag den 28. September in acht Containern, die im Hafen von Paulsboro, New Jersey, auf die Ocean Gladiator verladen wurden.

Ein weiteres Unternehmen mit Sitz in New York, International Ordnance Technologies, liefert 24 Tonnen M9-Munitionsgurte an dasselbe Elbit-Systems-Werk in Israel.

Es wird davon ausgegangen, dass das Schiff auf seiner Reise weitere US-Häfen anlaufen wird.

Unterdessen verschickt die Elbit-Systems-Fabrik in Ladson, South Carolina, 377 Tonnen Bombenhülsen in 25 Containern an ihre Schwestergesellschaft in Ramat Hasharon.

Die Ocean Gladiator soll in den kommenden Wochen die Straße von Gibraltar passieren und am 23. Oktober planmäßig im Hafen von Ashdod eintreffen.

Wieland Group, International Ordnance Technologies und Elbit Systems lehnten eine Stellungnahme ab.


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30/09/2025

BAHMAN KALBASI
In seinen Erklärungen vertritt das US-Außenministerium die Einstellungen Israels
Interview mit Shahid Qureshi, der wegen Nichterfüllung entlassen wurde

Bahman Kalbasi, BBC Persian, 17.9.2025

Bahman Kalbasi ist Korrespondent der BBC Persian bei den Vereinten Nationen in New York.

Übersetzt von Tlaxcala

 

Shahid Qureshi arbeitete im Büro für globale öffentliche Angelegenheiten des US-Außenministeriums (State Department) und wurde kürzlich von seinem Posten entlassen. In einem Sonderinterview mit Bahman Kalbasi erklärt Herr Qureshi: Die Beileidsbekundungen gegenüber den Familien der palästinensischen Journalisten, die von der israelischen Armee in Gaza getötet wurden, und die Betonung der Ablehnung der ethnischen Säuberungen in Gaza durch die USA seien Positionen gewesen, die er gemäß dem üblichen Verfahren in die Erklärungen des Außenministeriums aufnehmen wollte, und deshalb sei er entlassen worden. In seinem ersten Interview mit einem persischsprachigen Medienunternehmen nach seiner Entlassung aus dem US-Außenministerium spricht Herr Qureshi über die Geschehnisse und seine Erfahrungen unter verschiedenen US-Verwaltungen.

Bahman Kalbasi: In den Monaten nach Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat der Druck auf eine Reihe von Aktivisten und Studenten, die sich gegen Israels Krieg in Gaza aussprechen, zugenommen; von den Bemühungen der Regierung, einige, die keine US-Bürger waren, auszuweisen, bis hin zur Entlassung anderer aus ihren Jobs. Shahid Qureshi arbeitete in der PR-Abteilung des US-Außenministeriums und wurde kürzlich aus seinem Job entlassen. Er hatte versucht, gemäß dem üblichen Verfahren Beileidsbekundungen für die Familien palästinensischer Journalisten, die vom israelischen Militär getötet wurden, und die Ablehnung der ethnischen Säuberung in Gaza in die Erklärungen des Außenministeriums aufzunehmen. Er sagt, genau deshalb sei er entlassen worden. Dies ist sein erstes Interview mit einem persischsprachigen Medienunternehmen seit seiner Entlassung aus dem US-Außenministerium, in dem er über seine Erfahrungen in der vorherigen und der aktuellen Verwaltung sowie über die Geschehnisse spricht.

Ich bin Bamdad Kelbasi und spreche in einem „Special Dialogue“ mit diesem ehemaligen Mitarbeiter des Außenministeriums.

Shahid Qureshi, vielen Dank für die Gelegenheit, die Sie BBC Persian bieten. Bevor wir zum Kern der Sache kommen, könnten Sie ein wenig über sich selbst sprechen? Wo sind Sie geboren? Wo sind Sie aufgewachsen?

Shahid Qureshi:  Ja, ich wurde 1991 in Seattle geboren. Ich studierte Internationale Beziehungen an der University of Washington. Meine Eltern stammen aus der Stadt Saveh im Iran und kamen um die Zeit der Revolution nach Amerika. Nach meinem Bachelor-Abschluss ging ich nach Washington D.C. und machte meinen Master im selben Fach, Internationale Beziehungen.

Bahman Kalbasi: Wie sind Sie zum US-Außenministerium gekommen?

Shahid Qureshi:  Schon in jungen Jahren, und nach dem Einmarsch der USA in den Irak, wurde ich sensibel für die endlosen Kriege, in die die USA verwickelt waren. Ich hatte das Gefühl, dass das Bild des Irak, das sich in der amerikanischen öffentlichen Meinung vor der Invasion gebildet hatte, dazu beitrug, diese Operation zu rechtfertigen. Wenn wir zum Familienbesuch in den Iran reisten und nach Amerika zurückkehrten, beunruhigte mich die ähnliche negative Darstellung, die über den Iran geformt wurde, und dass sich das, was im Irak passiert war, auch für den Iran wiederholen könnte. Deshalb engagierte ich mich sehr in zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für ein Ende der Kriege im Irak und in Afghanistan und die Verhinderung einer Wiederholung im Iran einsetzten. Gleichzeitig reizte mich die Arbeit im Außenministerium als Diplomat, sowohl um die Kräfte zu verstehen, die ein Land in den Krieg treiben, als auch um diplomatische Wege zur Beilegung von Streitigkeiten anstelle von Krieg zu finden. Ich bin sehr froh, dass ich eine Weile dort arbeiten konnte.

Bahman Kalbasi: Als Sie zum US-Außenministerium kamen, was genau waren Ihre Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit? Was waren Ihre Pflichten?

14/09/2025

FRANÇOIS VADROT
Wenn das Hôtel Matignon zum Kriegsministerium wird
Ein Premierminister des Krieges ohne Krieg – ein Novum in Friedenszeiten

François Vadrot, 14.9.2025

Dramatische Gravur: Macron als Napoleon auf einem sich aufbäumenden Pferd, nach Osten gewandt. Neben ihm Lecornu mit einer französischen Trikolore, vor einem „Ministère de la Guerre“. Am Boden die Worte „En Marche“ und „Renaissance“ auf dem Kopf, ebenso das Ministeriumsschild – als Kulisse des Verteidigungsministeriums.
Macron als Kriegsherrscher: Die Geste nach Osten, die Worte verkehrt – die politische Sprache selbst ins Gegenteil gekehrt.

Eine beispiellose Ernennung unter der Fünften Republik

Seit der Gründung der Fünften Republik im Jahr 1958 ist noch kein amtierender Verteidigungsminister direkt zum Premierminister aufgestiegen. Pierre Messmer, Verteidigungsminister von 1959 bis 1969, wurde erst 1972 Premierminister – nach drei Jahren Rückzug. Das war keine direkte Kontinuität, sondern ein Comeback.

Das einzige wirkliche Beispiel stammt aus der Vierten Republik: Maurice Bourgès-Maunoury wurde 1957 Regierungschef, mitten im Algerienkrieg. Im Gefolge der Suez-Krise gab er zudem grünes Licht für den Technologietransfer, der Israels Atomprogramm in Dimona ermöglichte.

👉 In Friedenszeiten ist Lecornus Ernennung daher ein historisches Novum in der Fünften Republik.

Das Gesetz von 2023 als juristisches Scharnier

Das Militärprogrammgesetz 2024–2030 (verabschiedet 2023) hat die Exekutive mit erweiterten Befugnissen ausgestattet: Im Fall einer „aktuellen oder vorhersehbaren Bedrohung“ kann der Staat Personen, Güter und Dienstleistungen requirieren – mit Strafen für Verweigerer. Keine Generalmobilmachung, aber ein juristischer Werkzeugkasten, jederzeit einsatzbereit.

Die amerikanische Parallele

In den USA hat Trump den Titel Secretary of War wiederbelebt, der 1947 zugunsten des beschönigenden Secretary of Defense aufgegeben wurde. Keine bürokratische Kleinigkeit, sondern ein politisches Signal: den Krieg beim Namen nennen. In Frankreich hebt Macron einen Verteidigungsminister direkt ins Matignon – ein Novum der Fünften Republik. Zwei Gesten, ein Klima: Der Westen rüstet sich offen zur Konfrontation.

Regieren per Dekret

Mit Lecornu hat Macron keinen Grund, eine Vertrauensabstimmung zu riskieren, die er verlieren könnte. Die Verfassung der Fünften Republik erlaubt es, einen Premierminister zu halten, solange keine Misstrauensabstimmung Erfolg hat. Matignon wird so zum Kommandoturm, der per Dekret und 49.3 regiert und die Nationalversammlung an den Rand drängt.

Projektion ohne Grenzübertritt

Frankreich kann seine Präsenz in Osteuropa – Rumänien, Polen, Baltikum – verstärken, ohne die Ukraine zu betreten. Vorausstationierung lautet die Strategie: sichtbare Truppen, gelagertes Material, Logistik, Übungen. Das ermöglicht Macron:

  • Internationale Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

  • Die Innenpolitik unter dem Banner der nationalen Sicherheit neu zu rahmen.

  • Das Militär auf eine Eskalation vorzubereiten.

Macrons Kalkül

Kein Wahlsieg, keine Reform zu retten – aber Überlebensrationalität:

  • Das innenpolitische Scheitern überdecken durch martialische Rhetorik.

  • Politische Bedeutungslosigkeit abwenden, indem er „Kriegspräsident“ wird.

  • Den Staatsapparat festigen durch Militarisierung und Ausnahmebefugnisse.

  • Zentrale Stellung im Westen beanspruchen, während die USA mit Spaltungen, Karibik und Israel beschäftigt sind.

Das Paradox

Die USA werden keine europäische Front eröffnen. Zu polarisiert, zu absorbiert von anderen Prioritäten. Sie überlassen es den Europäern, die Linie zu halten – während sie aus der Ferne dirigieren. Macrons Wette: Frankreich zur Fahne einer Front zu machen, die Washington selbst nicht tragen wird.

👉 Kurz: Lecornu in Matignon ist kein Notbehelf, sondern ein Signal. Macron kann das zivile Frankreich nicht mehr regieren – also bereitet er das militärische Frankreich vor. Nach „En Marche“ und „Renaissance“ bleibt nur ein Wort: die „Fahne“.

11/09/2025

Berlin, 13. September 2025: Frieden statt wettrüsten!
Kundgebung am Brandenburger Tor

 

Wenn Russland das Völkerrecht bricht, fordert man mehr Waffen für die Ukraine. Wenn Israel das Völkerrecht bricht, heißt es, wir sollen weiter liefern, weil sie nur die Drecksarbeit für uns machen. Wenn die USA das Völkerrecht brechen, wird das als Stärke verkauft. Und wenn die Bundesregierung Milliarden für Mordwerkzeuge ausgibt und Deutschland zur größten Militärmacht Europas macht, soll das nur unserer Sicherheit dienen. 

Wir glauben diese Lügen nicht. Eure Doppelmoral ist unerträglich. Euer Spiel mit dem Feuer macht uns Angst.

Wir verurteilen Kriegsverbrechen überall – in der Ukraine, in Gaza, im Iran oder anderswo.

Eine Welt, in der immer häufiger die Waffen und nicht die Diplomaten sprechen, ist eine Gefahr für uns alle. Ein hochgerüstetes Deutschland hat noch nie Frieden gebracht.

Gemeinsam fordern wir:

👉🏻 Stopp der Waffenlieferungen und Abkehr vom Wettrüsten

👉🏻 Diplomatie statt Militarisierung

👉🏻 Ehrliches Engagement für Frieden im Nahen Osten und der Ukraine

Wenn ihr diese Forderungen unterstützt, kommt zu unserer Kundgebung am 13. September um 14 Uhr vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

Genozid in Gaza: Welche Waffen liefert Deutschland an Israel?
Ignacio Rosaslanda im Gespräch mit Shir Hever

 

Ignacio Rosaslanda, Journalist der „Jungen Welt“: Danke, dass du mit uns heute redest. Äh, kannst du dich bitte ganz kurz vorstellen?

Dr. Shir Hever: Gerne. Ich heiße Shir Hever. Ich bin Forscher der Rüstungsindustrie, israelische Rüstungsindustrie. Ich bin Unterstützer der BDS-Bewegung. Ich komme ursprünglich aus Jerusalem und jetzt wohne ich in Deutschland.

Ignacio Rosaslanda : Heute sind wir hier in Leipzig. Kannst du mir ein bisschen erklären, warum ist wichtig heute hier zu sein?

Dr. Shir Hever: Es gibt hier einen Verdacht, dass am Flughafen hier in Leipzig auch Waffen nach Israel geliefert werden. Das ist noch in Recherche, aber der Protest ist überall gegen alle Waffenlieferungen, nicht nur hier in Leipzig. Es gibt Proteste überall in Deutschland. Das ist sehr beeindruckend, dass so viele Menschen in Leipzig aktiv sind und engagieren gegen Rüstungsgeschäfte mit Israel. Und wir sehen hier, ich glaube, mehr als 1000 Leute.

Jetzt als Israel einen Völkermord in Gaza führt, kommt ungefähr ein Drittel der Waffen aus Deutschland, und das ist ein Verstoß gegen das internationale Völkerrecht.

Ignacio Rosaslanda : Was für Waffen sind das, die Deutschland nach Israel schickt?

Dr. Shir Hever: Es gibt sehr viele Mengen von Waffen, die Deutschland schickt, von U-Booten bis zu Drohnen, von Panzerabwehrraketen bis zu Kriegsschiffen, die Gas bombardieren. Viele von diesen Waffen sind in Gaza benutzt. Die meisten von den Waffen sind in Gaza benutzt. Und laut internationalen Abkommen ist es verboten, diesen Handel mit Israel zu führen. Nicht nur die Waffen nach Israel zu verkaufen, sondern auch Waffen aus Israel zu kaufen oder Waffen nach Israel zu transportieren. Das macht Deutschland auch. Deutschland kauft auch Waffen von Israel. Deutschland kauft und transportiert Waffen aus den USA durch den Ramstein-Flughafen zum Beispiel oder auf deutschen Schiffen.

Ignacio Rosaslanda : Wir waren vor einigen Wochen in Ulm, in der Stadt, wo die Elbit-Fabrik ist. Wir haben auch hier Rheinmetall. Wie groß ist die Industriebeteiligung hier in Deutschland?

Dr. Shir Hever: Deutschland überhaupt ist der vierte oder fünftgrößte Waffenexporteur der Welt, also viel größer sogar als Israel. Die Elbit Systems und auch die anderen zwei großen Rüstungsfirmen in Israel, IAI und Rafael, haben Tochterfirmen in Deutschland. Und das ist sehr wichtig für die israelische Armee. Sie verkaufen Waffen an die Bundeswehr, aber auch produzieren Teile von Waffen, die sie nach Israel schicken. Und das ist natürlich verboten. Deutschland muss das verbieten. Die Erklärung von Merz soll auch für die israelischen Tochterfirmen in Deutschland gelten, also in Ulm und anderswo. Aber ich glaube, dass die Interessen der deutschen Rüstungsindustrie so stark sind, dass es nicht so einfach ist, sie zu stoppen. Aber andererseits, die Menschen, die davon sehr viel profitieren wollen bei großen deutschen Firmen wie Rheinmetall oder MTU oder RENK, sie wollen auch nicht im Gefängnis landen, und wenn sie etwas komplett illegal machen, das wird das Ergebnis sein.

Ignacio Rosaslanda : Wir sehen jeden Tag Bilder von Raketen, die Gaza zerstören. Wie können wir wissen, ob das diese Bomben oder diese Missiles oder diese Raketen von deutscher Herkunft sind?

Dr. Shir Hever: Also, das ist sehr schwer zu wissen, weil was Israel macht nach jedem Bombardement: Sie schießen die 155-mm-Granaten, um die Spuren zu zerstören, sodass wir die Schrotte von Geräten nicht finden. Manchmal aber finden wir doch. Am 1. Juli 24 hat ein palästinensischer Journalist ein Stück von einer Rakete fotografiert. Dort gab es ein kleines Stück, auf dem steht "Made in Germany". Das war von einer Firma in Fulda. Die Firma heißt Jumo. Sie produzieren Klimaanlagen. Aber dieser Druckregler von der Klimaanlage wurde von Israel benutzt für eine Rakete, die im Westjordanland, nicht in Gaza, benutzt wurde gegen die Flüchtlingslager in Jenin und das ist natürlich verboten. Das bedeutet, diese Druckregler müssen als Dual-Use, also Doppelzweck-Produkte, bestuft werden, und diese Firma Jumo, wenn sie weiter diese Produkte verkauft, das ist illegal, sie müssen dann bestraft werden.

Ignacio Rosaslanda : Ab wann würde man sagen können, dass sie das machen? Ist es strafbar für diese Leute, für die Firmen, aber auch für die Politiker? Was brauchen wir?

Dr. Shir Hever: Ja. Also, Israel hat immer behauptet, die Besatzung ist kurzfristig, und dann ist laut der vierten Genfer Konvention militärische Besatzung erlaubt für kurze Fristen. Natürlich geht das nicht mit den illegalen Siedlungen, aber die Waffenlieferung war eine eigenständige Sache. Jetzt aber hat am 29. Dezember 23 Südafrika Israel geklagt mit dem Vorwurf von Völkermord, und am 24. Januar 24 hatte der IGH einen Befehl gegeben: Israel muss aufhören mit den Akten unter der Konvention gegen Völkermord. Und sofort, in der Sekunde, dass Israel diesen Befehl gebrochen hat, also nicht gefolgt ist, schon am 24. Januar 24, das verursacht eine Verpflichtung an Drittstaaten wie Deutschland, die Waffen sofort zu stoppen. Seit diesem Moment bricht Deutschland gegen das internationale Völkerrecht.

Dazu gibt es aber weitere Schritte. Zum Beispiel am 19. Juli 24 hat der IGH ein Gutachten geschrieben, dass die Besatzung als solche ist illegal. Israel darf nicht mehr sagen, das ist nur kurzfristig. Das ist nicht kurzfristig, das muss sofort beendet werden, und Drittstaaten sind gezwungen, Sanktionen zu üben gegen Israel und Waffenlieferungen zu stoppen. Und Deutschland hat leider dieses Urteil auch ignoriert.

Ignacio Rosaslanda : Was kauft Deutschland denn von Israel?

Dr. Shir Hever: Sehr viele Sachen. Aber das größte Geschäft ist das Arrow-3-System. Das ist eine Abwehrrakete, die Israel produziert an Deutschland für Deutschland gegen mögliche Raketenangriffe. Das ist ein ungetestetes System. Man weiß nicht, ob das funktioniert oder nicht, aber Deutschland war bereit, schon 4 Milliarden Euro für dieses System zu bezahlen. Das ist sehr, sehr viel. Das ist der größte Rüstungsexport in der Geschichte Israels. Und das war unterschrieben 10 Tage im Oktober, nach der berühmten Rede vom israelischen Verteidigungsminister damals, Joav Galant, der sagte, dass Palästinenser in ihnen menschliche Tiere seien und bekommen kein Wasser, kein Nahrungsmittel, keine Medikamente. Also das war seine Erklärung auf Völkermord. 10 Tage danach hat Deutschland ihn eingeladen, Boris Pistorius, Verteidigungsminister, um ein Geschäft für dieses Arrow-3 zu unterschreiben. Es gibt noch viele andere Waffen, die Israel an Deutschland verkauft. Aber das wäre eine große Liste, leider.

Ignacio Rosaslanda : Okay. Und warum denkst du, das ist wichtig, dass wir heute hier sind am Flughafen?

Dr. Shir Hever: Ich glaube, dass die Erklärung von Merznicht möglich wäre, wenn er nicht verstanden hätte, dass die Meinung in Deutschland sich ändert, dass die Mehrheit in Deutschland ist gegen die Waffenlieferungen und gegen den Völkermord. Und wenn er also jeden Druck, den wir aufbauen, hat ein Ergebnis. Seine Erklärung war nur ein erster Schritt, das ist natürlich nicht genug. Aber wenn wir weiter protestieren, weiter marschieren und demonstrieren, dann werden weitere Schritte kommen. Wir sehen das schon in anderen Länder. Also Deutschland ist sehr hinter der ganzen Welt hier, aber das kommt näher und näher. Ich habe gestern gelesen, der Außenminister von Niederlande, Kaspar Veldkamp, ist aus der Regierung ausgetreten, weil er wollte scharfe Sanktionen gegen Israel, die seine Regierung nicht akzeptiert hat. Also, sie wollten weniger Sanktionen. Das heißt, das kommt bis zur Grenze von Deutschland, bis zu den Niederlanden. Deutschland ist dran.

Ignacio Rosaslanda : Vielen Dank.

Flughafen Leipzig/Halle, 23-8-2025

01/09/2025

AMENA EL ASHKAR
Das Problem mit der Gleichsetzung durch die Hamas des Völkermords in Gaza mit dem Holocaust

 „Was [der sehr vornehme, sehr humanistische, sehr christliche Bourgeois des 20. Jahrhunderts] Hitler nicht verzeiht, ist nicht das Verbrechen an sich, das Verbrechen gegen den Menschen, es ist nicht die Erniedrigung des Menschen an sich, es ist das Verbrechen gegen den weißen Menschen, es ist die Erniedrigung des weißen Menschen und die Anwendung kolonialistischer Methoden in Europa, die bisher nur für die Araber in Algerien, die Kulis in Indien und die Neger in Afrika galten.“

Aimé Césaire, Über den Kolonialismus, 1955


Das Bestreben der Hamas, durch den Vergleich des Völkermords in Gaza mit dem Holocaust westliche Sympathie zu gewinnen, ist verständlich, aber letztlich kurzsichtig. Stattdessen könnte die Einordnung des Völkermords in den größeren Kontext kolonialer Gewalt echte Solidarität schaffen.

Amena El Ashkar (Bio), Mondoweiss, 29.8.2025
Übersetzt von
Tlaxcala

 Palästinenser begraben die Leichen von 110 Menschen, die bei israelischen Angriffen getötet wurden, in einem Massengrab auf dem Friedhof von Khan Yunis, 22. November 2023. Foto Mohammed Talatene/dpa via ZUMA Press APA Images

Seit über zwei Jahren erklären die Palästinenser im Gazastreifen: „Wir werden ausgerottet.“ Diese Erklärungen stammen nicht nur aus offiziellen israelischen Verlautbarungen, sondern aus gelebter Erfahrung, wo israelische Militäroperationen palästinensische Körper zu Schauplätzen extremer kolonialer Gewalt gemacht haben. Doch trotz der Sichtbarkeit von Massenvertreibungen, Bombardierungen und Hunger zögert ein Großteil der internationalen Gemeinschaft, diese Handlungen als Völkermord einzustufen.

In der Praxis wird die palästinensische Realität erst dann als „legitim“ anerkannt, wenn sie die moralischen Rahmenbedingungen internationaler Institutionen durchlaufen hat – Rahmenbedingungen, die das Ausmaß der Gewalt oft unterschätzen. Die Anerkennung erfolgt in der Regel nach einem langwierigen Prozess: Bewertung, Überprüfung, Datenerhebung und Einbeziehung einer „glaubwürdigen“, „neutralen“ Behörde, die das Ereignis untersucht und bewertet. Erst dann kann das Leiden der Palästinenser ein gewisses Maß an Legitimität erlangen. Tatsächlich dürfen Palästinenser ohne Einschränkung sterben, aber sie dürfen ihren eigenen Tod nicht ohne externe Zustimmung benennen.

Um dem entgegenzuwirken, haben palästinensische Widerstandskämpfer, darunter auch die Hamas selbst, versucht, den Völkermord in Gaza in einen Kontext zu stellen, indem sie eine der wirkungsvollsten historischen Analogien im westlichen Sprachgebrauch heranzogen: den Holocaust der Nazis.

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Im Kontext des Kolonialkampfes ist dies nicht nur eine Frage der Terminologie, sondern eine strategische Herausforderung.

Auf den ersten Blick erscheint die Medienstrategie der Hamas, den Holocaust der Nazis während des Zweiten Weltkriegs zu nutzen, logisch: die Sprecher wollen die moralische Erinnerung des Westens an den Holocaust und den Nationalsozialismus wachrufen, in der Hoffnung, die öffentliche Meinung in den westlichen Gesellschaften so zu mobilisieren, dass die Regierungen unter Druck gesetzt werden, zu handeln und das Leiden in Gaza zu beenden.

Doch nach mehr als zwei Jahren ist dieser Effekt nicht eingetreten. Warum?

In der politischen Vorstellung des Westens ist der Zweite Weltkrieg ein zentraler moralischer Bezugspunkt, und der Holocaust steht im Mittelpunkt. Im Rahmen der epistemischen Dominanz des Westens konnten diese Staaten ihre ethischen Standards durchsetzen und inakzeptables Verhalten definieren, wodurch sie die Grundlagen des Konzepts der „Menschlichkeit“ geprägt haben. Der Holocaust war keine historische Anomalie; die Kolonialgeschichte derselben Staaten ist voller Völkermorde und Hungersnöte, die an den kolonialisierten Völkern verübt wurden. Was den Holocaust zu einem moralischen Absolutum machte, war nicht die Tat des Massenmords an sich, sondern die Identität der Zielgruppe – die europäische Bevölkerung. In diesem Sinne wurden globale moralische Rahmenwerke auf einer eurozentrischen Grundlage errichtet.

Indem die Hamas die Ereignisse in Gaza durch den Holocaust einrahmt, offenbart sie zwei Dynamiken: Erstens, dass die palästinensische Tragödie nicht als eigenständige Erfahrung dargestellt wird, sondern durch die Linse einer anderen Katastrophe – einer, die die westlichen Mächte als den Inbegriff von Grausamkeit bezeichnet haben. Dies stärkt die Autorität eines Moralsystems, das selektiv taub für das Leiden der Palästinenser ist und unvermeidlich dem westlichen Trauma Vorrang einräumt. Zweitens sendet die Verwendung dieser Analogie eine Botschaft an das westliche Publikum: „Glaubt uns, denn was uns widerfährt, ähnelt eurer eigenen Geschichte.“ Dies verstärkt die Vorstellung, dass westliches Leid der Maßstab für alles Leiden ist und dass andere Tragödien einen Vergleich damit erfordern, um als glaubwürdig zu gelten. Diese Dynamik birgt die Gefahr, die historische Erfahrung der Palästinenser zu untergraben, indem sie in die moralische Ordnung eingeordnet wird, aus der sie sich zu befreien versuchen.

Auch der Vergleich selbst weist ein strukturelles Problem auf. Durch die Beschwörung des Holocaust und des Nationalsozialismus wird der Krieg in Gaza in eine ausweglose Position gebracht, da der Vergleich anhand eines Maßstabs beurteilt wird, der darauf ausgelegt ist, den Holocaust an der Spitze der Hierarchie der Gräueltaten zu halten. Dabei wird übersehen, dass der Holocaust einen geschützten Platz im kollektiven Gedächtnis des Westens einnimmt, der durch jahrzehntelange Investitionen in Museen, Filme, Literatur und Bildung aufrechterhalten wird. Die Ungeheuerlichkeit der Nazi-Verbrechen wird so als unübertroffen bewahrt. In diesem Rahmen wird es für Skeptiker leichter, die Bezeichnung „Völkermord” abzulehnen, wenn die Gewalt in Gaza als unter diesem Standard liegend wahrgenommen wird – zum Beispiel weil es keine ikonischen Bilder von Gaskammern gibt.

Darüber hinaus ist der von der Hamas häufig verwendete Begriff „Zionazismus” ungenau. Zwar gibt es Ähnlichkeiten, darunter die Förderung einer Ideologie der rassischen Überlegenheit, doch ist der Zionismus ein Siedlerkolonialprojekt, während der Nationalsozialismus dies nicht war. Beide haben zwar schwere Verbrechen begangen, doch unterscheiden sich diese Verbrechen in ihrem Wesen und ihrem Zweck. Die israelische Politik in Gaza lässt sich am besten als Teil einer längeren historischen Kontinuität kolonialistischer Gewalt verstehen und nicht als direkte Wiederholung nationalsozialistischer Methoden. Technisch und politisch gesehen birgt diese Analogie die Gefahr, die strukturelle Logik der israelischen Gewalt zu verschleiern, und ermöglicht es Israel, die Anschuldigung durch Diskreditierung des Vergleichs abzuweisen.

Als die Hamas sich dafür entschied, Vergleiche mit dem Holocaust und den Nazis anzustellen, war ihr Zielpublikum eindeutig die westliche internationale Gemeinschaft. Dies offenbart zwei miteinander verbundene Probleme. Das erste ist eine Fehlinterpretation der strukturellen Natur der westlichen Unterstützung für Israel – offenbar wird davon ausgegangen, dass die Position des Westens eher auf Unwissenheit oder moralischer Blindheit beruht als auf langjährigen strategischen und kolonialen Interessen, die Israel als funktionalen Verbündeten in der Region positionieren. Nach dieser Ansicht könnte die westliche Behandlung der Palästinenser und des Widerstands als Sicherheitsproblem umgekehrt werden, wenn die Öffentlichkeit davon überzeugt würde, Israel durch einen anderen moralischen Rahmen zu betrachten, beispielsweise den des Holocaust.

Außerdem wird die wahrscheinliche Wirkung des öffentlichen Drucks des Westens auf die staatliche Politik überschätzt, es wird falsch eingeschätzt, welche Allianzen realisierbar sind, und das diplomatische Manövrieren wird auf von anderen festgelegte Rahmenbedingungen beschränkt. In einem solchen Kontext ist die Holocaust-Analogie nicht nur nicht überzeugend, sondern signalisiert auch eine zugrunde liegende strategische Haltung, die die Fähigkeit der Bewegung gefährdet, Erfolge auf dem Schlachtfeld in langfristige politische Vorteile umzuwandeln.

Bei Widerstand und Befreiung geht es nicht nur um die Rückeroberung von Land, sondern ebenso um die Rückeroberung von Vorstellungskraft, Bewusstsein und Sprache. Auf den ersten Blick mag es zweitrangig erscheinen, während eines Vernichtungskrieges von der Dekolonisierung von Wissensrahmen zu sprechen – dennoch ist dies von entscheidender Bedeutung. Was heute in Gaza geschieht, ist kein Ausnahmeereignis und ähnelt auch nicht dem Holocaust, wie ihn der Westen in seiner moralischen Vorstellung konstruiert hat. Vielmehr ist es die Fortsetzung eines langen kolonialen Erbes – eines Erbes, das nicht nur das Schicksal der Palästinenser, sondern auch das anderer Völker im globalen Süden geprägt hat.

Die Gegenwart Gazas als Teil dieses umfassenderen kolonialen Kontinuums zu betrachten, ist für den Aufbau neuer Allianzen in einer sich wandelnden geopolitischen Ordnung von entscheidender Bedeutung. Die koloniale Geschichte der Region selbst bietet reichlich Vergleichsmöglichkeiten, um Gräueltaten aufzudecken, ohne moralische Regime zu verstärken, die – nach mehr als zwei Jahren – nur sehr begrenzte diplomatische und politische Erfolge für den palästinensischen Kampf gebracht haben.

Die Art und Weise, wie wir das Geschehen benennen, ist kein symbolischer Akt; sie prägt grundlegend die Richtung des strategischen Denkens und ist ein Indikator dafür, wie wir die Dinge wahrnehmen und wie wir glauben, von anderen wahrgenommen zu werden. Die Dekolonisierung der Rahmenbedingungen, durch die wir sprechen, ist daher nicht nur ein symbolisches Ziel, sondern ein strategischer Weg zu einer politischen und diplomatischen Praxis, die in der Lage ist, taktische Gewinne vor Ort in langfristige strategische Siege umzusetzen – unter Verwendung von Begriffen, die wir selbst definieren, anstatt solcher, die uns von außen aufgezwungen werden.

13/08/2025

ALEX SHAMS
Unser Mann für Teheran

Die von den USA und Israel unterstützte Kampagne, die Reza Pahlavi, den Sohn des Schahs, für einen Regimewechsel im Iran positioniert.

Alex Shams,Boston Review, 6-8- 2025
Von Tlaxcala übersetzt

Als Israel am 13. Juni einen Überraschungsangriff auf den Iran startete, war das erklärte Ziel, das Atomprogramm des Gegners zu zerstören. Doch innerhalb weniger Tage kam es zu einer Ausweitung der Mission. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu räumte offen ein, dass die Operation zum Sturz der Islamischen Republik führen könnte. Am letzten Tag der Kämpfe schloss sich Donald Trump, der den Angriff von Anfang an unterstützt hatte, Netanjahu an und sprach von einem Regimewechsel.



SARAH B.
Scharfschützen im Kreuzzug
Der Missbrauch der humanitären Hilfe in Gaza durch evangelische Extremisten und ehemalige Spezialeinheiten

 In Gaza wurde der Humanitarismus von mit Gewehren, Exorzismen und einer göttlichen Mission bewaffneten Kreuzrittern missbraucht, um das Schlachtfeld nach dem Ebenbild Gottes neu zu gestalten.

Sarah B., DD Geopolitics, 31. Juli 2025

Deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi von ProMosaik für Tlaxcala

Inhaltsverzeichnis

I. Die Rückkehr des Kreuzzugs    
II. Eine neue Söldnerrasse: Treffen Sie die Kreuzritter  
III. Die Befreiungslehre
IV. Kinder: Bekämpfung des Menschenhandels als Deckung
V. Gaza: Ein Schlachtfeld für die Seele
VI. Ein Netzwerk der Herrschaft jenseits des Gazastreifens 
VII. Der Schatten von Verschwörungen und Geheimdienstfronten
VIII. Fazit: Die Instrumentalisierung des Glaubens  
 




10/08/2025

„Diejenigen, die Israel bewaffnen, sind die wahren Antisemiten“: Reaktionen in Israel auf den Merzschen Waffenlieferstopp

Nachstehend zwei Artikel aus der israelischen Tageszeitung Haaretz über die Entscheidung von Bundeskanzler Merz, Lieferungen von Waffen nach Israel zu stoppen, die in Gaza eingesetzt werden könnten. Von Tlaxcala übersetzt
Rissiges, von RABE

Wie Berlins Waffenembargo wegen Gaza israelische Firmen in Deutschland daran hindern kann, Waffen an Israel zu verkaufen

Oded Yaron, Haaretz, 9.8.2025

Seit Jahrzehnten ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Lieferant von Rüstungsgütern an Israel. Sollte Israel erneut in eine Notlage geraten, in der es Waffen benötigt, könnte es mit leeren Händen dastehen. Die Formulierung des Bundeskanzlers zum Verbot von Waffen für den Einsatz in Gaza könnte Berlin jedoch einen gewissen Spielraum lassen.


Der deutsche Bundeskanzler Merz (links) mit Premierminister Netanjahu im vergangenen Jahr. Foto  : Kobi Gideon/BauBau

Die Entscheidung Deutschlands vom Freitag, Waffenexporte nach Israel zu beschränken, könnte erhebliche Auswirkungen auf mehrere der wichtigsten Waffensysteme des israelischen Militärs haben und Israel und seine Lieferanten dazu zwingen, Ausweichlösungen für die Produktion in Deutschland zu finden.

Der Schritt könnte auch dazu führen, dass in Deutschland tätige israelische Rüstungsunternehmen, darunter auch staatliche Unternehmen, keine Waffen mehr an Israel verkaufen dürfen.


Ein U-Boot der israelischen Marine

In den letzten Jahrzehnten war Deutschland nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Lieferant von Rüstungsgütern an Israel, was vor allem auf große Aufträge von ThyssenKrupp für U-Boote und Raketenabwehrschiffe zum Schutz der israelischen Offshore-Gasplattformen zurückzuführen ist.

Laut einer offiziellen Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf eine Anfrage des Bundestages hat Berlin seit Kriegsbeginn bis zum 13. Mai 2025 Rüstungsexporte nach Israel im Wert von insgesamt 481 Millionen Euro genehmigt.

Die Bundesregierung lehnte es ab, konkrete Angaben zu den gelieferten Waffen und Ausrüstungsgütern zu machen, und nannte stattdessen allgemeine Kategorien wie Kleinwaffen, Bomben, Raketen, Munition und eine Vielzahl von Systemen.

Die Erklärung von Bundeskanzler Friedrich Merz, dass Deutschland keine Ausfuhr von militärischer Ausrüstung genehmigen werde, die in den Kämpfen im Gazastreifen eingesetzt werden könnte, lässt Berlin einen gewissen Handlungsspielraum. So dürfte die Entscheidung beispielsweise keine Auswirkungen auf U-Boot- oder Schiffsausfuhren haben, obwohl deutsche Abgeordnete in verschiedenen parlamentarischen Anfragen auf Berichte hingewiesen haben, wonach Überwasserschiffe an der Gaza-Offensive beteiligt waren.

Israel ist jedoch auch in anderen Bereichen von Deutschland abhängig, in denen es schwer zu argumentieren wäre, dass die Systeme nichts mit den Kämpfen im Gazastreifen zu tun haben. So stellt beispielsweise das deutsche Unternehmen MTU, eine Tochtergesellschaft des britischen Rolls-Royce-Konzerns, die Motoren für den Merkava-Panzer, den gepanzerten Mannschaftstransporter Namer und das neue gepanzerte Kampffahrzeug Eitan her.

Dies sind kritische Komponenten für die Einsatzfähigkeit der Panzer- und Infanterieeinheiten der israelischen Streitkräfte. MTU betreibt auch Werke in Großbritannien und den USA, aber diese Anlagen werden nur für die Endmontage und Erprobung von Motoren genutzt, sodass Deutschland ein wichtiges Glied in der Lieferkette bleibt.


Ein Panzer der israelischen Streitkräfte an der Grenze zum Gazastreifen, 2024. Foto Jack Guez/AFP

Die globale Ausrichtung der Lieferkette könnte Israel bereits eine Lösung für die deutschen Sanktionen bieten. Denn Israel bezieht die Motoren für den Namer und den Eitan von einem US-amerikanischen Unternehmen, Rolls-Royce Solutions America Inc., einer in den USA registrierten Tochtergesellschaft der Rolls-Royce Group, sodass die Transaktion über die USA abgewickelt wird.

Die Entscheidung hat keine Auswirkungen auf bestehende israelische Exportverträge mit Deutschland. Erst letzten Monat gab Elbit einen Vertrag über die Lieferung von infrarotgesteuerten Raketenabwehrsystemen für die deutschen A400M-Transportflugzeuge bekannt. Sollte die israelische Regierung jedoch ihren derzeitigen Kurs in Gaza beibehalten, könnte auch Deutschland bei künftigen Beschaffungen auf alternative Lieferanten zurückgreifen. Darüber hinaus könnte jede Entscheidung Deutschlands einen Dominoeffekt in anderen europäischen Staaten auslösen.

Eine Bedrohung für die Exporte israelischer Unternehmen nach Israel

Die internationale Zusammenarbeit zwischen israelischen Rüstungsunternehmen im Ausland und Deutschland hat sich in den ersten Monaten des Krieges als unverzichtbar erwiesen. Deutschland ist für Israel ein wichtiger Verbündeter bei der Entwicklung, Produktion und Vermarktung moderner Waffen, von denen ein Teil für Israel selbst bestimmt ist.

Israel Aerospace Industries, Rafael und Elbit besitzen alle Tochtergesellschaften in Deutschland und arbeiten mit lokalen Firmen in verschiedenen Bereichen zusammen. Das bedeutet, dass Israel, sollte es erneut in eine Notsituation geraten und dringend Lieferungen aus Deutschland benötigen, wie dies in der Vergangenheit bereits der Fall war, möglicherweise mit leeren Händen dastehen würde.

Eine der bedeutendsten deutschen Waffenlieferungen an Israel seit Beginn des Krieges im Gazastreifen war die Lieferung von 3.000 Panzerabwehrraketenwerfern im Jahr 2023. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um „Matador”-Raketenwerfer (RGW-90 oder die leichteren RGW-60), die in der Zahal als „Mapatz” bekannt sind und zur Zerstörung von gepanzerten Fahrzeugen, Bunkern und Militanten in Gebäuden dienen.

Die Abschussgeräte werden von der deutschen Firma Dynamit Nobel Defence (DND) hergestellt, die vor 20 Jahren von Rafael, dem staatlichen israelischen Rüstungsunternehmen, übernommen wurde. Der Matador wurde von der IDF in den Jahren der Kämpfe im Gazastreifen und im Libanon häufig eingesetzt.


Das Spike-Raketensystem von Rafael. Bildquelle: Rafael Advanced Defense Systems

Rafael hat auch die „Spike”-Familie von Lenkwaffensystemen entwickelt. Um diese in Europa zu vermarkten, gründete das Unternehmen Eurospike – ein Joint Venture mit zwei großen deutschen Firmen: Rheinmetall (40 Prozent Anteil) und Diehl Defence (ebenfalls 40 Prozent). Die restlichen 20 Prozent hält Ercas B.V., eine in den Niederlanden registrierte und vom Vereinigten Königreich aus tätige Holdinggesellschaft von Rafael.

Laut deutschen Unternehmensregistern ist Eurospike für die Vermarktung und den Vertrieb von Spike-Systemen, insbesondere für europäische Kunden, zuständig und erbringt darüber hinaus Dienstleistungen wie Projektmanagement und grundlegende Systemtechnik. Spike-Raketen werden teilweise in Israel und teilweise in Produktionsstätten der deutschen Partnerunternehmen hergestellt.

Deutschlands Waffenembargo gegen Israel ist kein Verrat, sondern eine moralische Abrechnung

Gideon Levy, Haaretz, 9.8.2025

 


Die Bewaffnung Israels, damit es seinen Plan zur Eroberung des Gazastreifens und zur Durchführung ethnischer Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in diesem Gebiet umsetzen kann, ist eine der antisemitischsten und antiisraelischsten Maßnahmen, die man sich vorstellen kann. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung der deutschen Regierung, die Waffenlieferungen an Israel einzustellen, ein mutiges Bekenntnis zu moralischen Werten und auch zu echter Freundschaft gegenüber Israel.

Deutschland hat angekündigt, die Ausfuhr von militärischer Ausrüstung, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnte, nach Israel einzustellen. Das Deutschland nach dem Holocaust musste diese Entscheidung treffen: hätte es weiterhin Waffen an ein Land geliefert, das Völkermord begeht, hätte dies bewiesen, dass es nichts aus seiner Vergangenheit gelernt hat.

So wie es seit Jahren klar ist, dass Deutschland sich nicht gegen Israel aussprechen kann und dass das Land, das den Holocaust begangen hat, verpflichtet ist, die Sicherheit des aus seiner Asche entstandenen Staates zu gewährleisten, so klar ist auch, dass Deutschland jeden Völkermord bekämpfen und schon gar nicht unterstützen darf, selbst wenn der Täter sein geliebtes Israel ist.


Juni 2025: Demonstranten protestieren vor dem Bundestag in Berlin gegen die Bedingungen in Gaza und fordern Sanktionen gegen Israel und Waffenstopp. Foto Fabrizio Bensch/ REUTERS

Mit der Verhängung eines teilweisen Waffenembargos gegen Israel hat Deutschland bewiesen, dass es an der Spitze Europas steht und den Holocaust und seine Lehren nicht vergisst. Ein Deutschland, das Israel weiterhin mit Waffen beliefert hätte, wäre wie alle derzeitigen Waffenlieferanten Israels zu seinem Komplizen beim Völkermord geworden. Und das darf Deutschland mehr als jedes andere Land der Welt nicht tun.

Alle, die Israel bei der Begehung von Völkermord unterstützen, erklären damit, dass sie den Staat nicht weniger hassen als diejenigen, die über seine Taten empört sind. Israel jetzt zu bewaffnen, zeugt weder von Freundschaft gegenüber dem Staat noch von Sorge um sein Schicksal. Die Lieferung von Waffen an den Angreifer in einem illegitimen Krieg, der längst beendet sein sollte und dessen Ziele inzwischen sinnlos und verbrecherisch sind, bedeutet Mittäterschaft an einem Verbrechen.

Deutschland hat das alte Paradigma auf den Kopf gestellt: dem heutigen Israel darf keine Hilfe gewährt werden, schon gar nicht Waffen. Jedes Flugzeug und jede Granate, jedes Raketenschiff und jede Kanone werden nur noch mehr unschuldige Menschen töten. In dem Moment, in dem der Angriff auf Gaza aufgehört hat, ein Akt der Selbstverteidigung zu sein, ist er unerträglich geworden.

Angesichts der unglaublichen Unterstützung durch die Vereinigten Staaten und der erstaunlichen Ohnmacht der Opposition in Israel gibt es niemanden, der den Krieg stoppen kann. Europa kann dazu beitragen, ihn zu beenden, wenn auch nicht sofort.

Aber über den Wunsch hinaus, den Krieg zu beenden, ist die Lieferung von Waffen an Israel ein Akt der Feindseligkeit gegenüber diesem Land. Wenn nur die US-Amerikaner das verstehen würden. Deutschland hat die Macht, den Kurs zu bestimmen: die Sorge um das Schicksal Israels schließt nicht ein, es zu bewaffnen, um seine wahnsinnigen Pläne in Gaza durchzusetzen.


Zahal-Soldaten im Einsatz in Rafah im Süden Gazas. Foto IDF Spokesperson's Unit

Anstatt alle Demonstranten gegen Israel und gegen den Krieg weiterhin als Antisemiten zu betrachten, als zynische und wirksame Manipulation durch jüdische und israelische Propaganda, sollten wir vielmehr diejenigen als Antisemiten betrachten, die Israel bewaffnen.

Natürlich gibt es auch Manifestationen von Antisemitismus in Kreisen, die Israel ablehnen, aber sie sind nicht das Wesentliche. Die meisten Demonstranten sind Menschen mit Gewissen, die mit Dingen konfrontiert wurden, mit denen Israelis nicht konfrontiert wurden, und sie können nicht schweigen. Was kann man von Weltbürgern erwarten, die Bilder von Hunger und Tod sehen? Werden sie den Tätern zujubeln oder sich gegen sie erheben und sie sogar hassen?

Die Wertschätzung und Sympathie für Israel werden in naher Zukunft nicht zurückkehren. Die Welt wird Gaza so schnell nicht vergessen. Die Tatsache, dass Israel seine Handlungen leugnet und nicht einmal die geringste Verantwortung übernimmt, wird die Welt nur weiter von ihm entfernen.

Die Israelis in Europa können weiterhin die Opferkarte spielen, wenn sie aus Restaurants geworfen werden, aber so verhalten sich Menschen mit Gewissen, denen etwas wichtig ist. Sie sind keine Antisemiten. Sie sind sicherlich besser als diejenigen, die Israel dazu drängen, weiterhin Hunderte von Babys aus der Luft, zu Lande und zu Wasser zu töten und es mit Waffen auszustatten, die für die Abschlachtung dieser Babys geeignet sind.