Henrique
Magini, flipetropolis, 1/5/2024
Übersetzt von Helga
Heidrich, Tlaxcala
Jamil Chade erzählt in Begleitung von Afonso Borges am Tisch von Flipetrópolis (Internationales Literaturfestival von Petrópolis) von bisher geheimen Berichten über die Diktatur in Brasilien.
„Wir sind die Erben einer verbrecherischen
Vergangenheit.“
Jamil Chade
In seinem ersten Auftritt bei Flipetrópolis präsentierte der Journalist Jamil Chade Dokumente aus den 1970er Jahren über das Militärregime in Brasilien und sagte, als er die Kisten mit dem geheimen Material öffnete, sei er sicher gewesen, dass er nicht in die Vergangenheit, sondern in die Gegenwart Brasiliens blicke.
Aus Dokumenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), zu denen er Zugang hatte, geht hervor, dass das brasilianische Militär in dieser Zeit Mitgliedern der Organisation die Einreise in das Land erschwerte, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu beurteilen. Das IKRK ist eine neutrale, unparteiische und unabhängige Organisation, die weltweit tätig ist, um Menschen, die von Konflikten und bewaffneter Gewalt betroffen sind, humanitäre Hilfe zu leisten und Gesetze zum Schutz von Kriegsopfern zu fördern. Seit Jahren hat das Komitee die Militärregierung wiederholt um Zugang zu den Standorten der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen gebeten, um die humanitären Bedingungen dort zu bewerten. Bei jedem Versuch wurden die Ersuchen abgelehnt, was deutlich macht, dass es damals in Brasilien eine bewusste Politik gab, um die Welt zu täuschen.
Jamil wies darauf hin, dass der damalige Justizminister Alfredo Buzaid, in seiner Antwort auf ein Schreiben des Komittes im Juli 1970, erklärte, dass es in Brasilien keine Folter oder Gewalt gebe und dass die brasilianische Regierung der Öffentlichkeit im In- und Ausland alle Beweise vorlegen werde. Es ist erwähnenswert, dass das Komitéé keine Informationen über die Bedingungen in den Gefängnissen preisgibt, sondern zunächst eine Bewertung vornimmt und dann fordert, dass das Land in Fällen von schlechten Bedingungen Maßnahmen ergreift, um die Gefangenen menschenwürdig zu behandeln.
Das Komitee wurde häufig von Kämpfern wie Apôlonio de Carvalho und Ladislau Dowbor aufgesucht und wurde von ihnen als die einzige Organisation angesehen, die in der Lage war, auf die Bedingungen in den Folterstätten einzuwirken. Nachdem das Komitee einige Berichte von freigelassenen Personen gesammelt hatte, erhielt er Zugang zu Material, aus dem hervorging, dass „die angewandte Methode [der Folter] wissenschaftlich ist. Sie beruht auf der dosierten Anwendung von grausamen Leiden innerhalb der genauen Grenzen der menschlichen Belastbarkeit, wenn dies notwendig ist“.
Mit diesem Dokument bat das Komitee den Vatikan um Hilfe bei der Intervention. Ebenfalls ohne Erfolg. „Der Papst erreicht nichts“, betonte Jamil.
1973 kam es zu einer „Vereinbarung“ zwischen dem Internationalen Komitee und der brasilianischen Regierung. Die von der Regierung geforderte Bedingung war, dass sie als Mitglieder des brasilianischen Roten Kreuzes kommen. Unter dieser Bedingung kam das Komitee nach Brasilien und wurde in gewöhnliche Gefängnisse geführt, in denen es nicht auf die von den Dissidenten angeführten Probleme stieß.
„Sie sagen, es gibt keine Freiheit... Schau mal: Ich
tue, was ich will!“
Karikatur von Augusto Bandeira im Correio da Manhã aus
dem Jahr 1964: Marschall Castelo Branco und General Costa e Silva als
Höhlenmenschen, die die Demokratie angreifen.
Erst 1975 gelang es dem Komitee, ebenfalls als Mitglied des brasilianischen Roten Kreuzes, nach Brasilien zurückzukehren und die Gefängnisse zu besuchen, in denen gefoltert wurde, wobei sich bestätigte, dass es sich um Gefängnisse an geheimen Orten handelte. Bis 1979 versuchte die Regierung, über die Gefängnisse und die Behandlung der Gefangenen zu lügen.
Jamil sagte auch, dass es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt gebe, um sich mit der Vergangenheit zu befassen, und betonte, dass „wir die Erben einer verbrecherischen Vergangenheit sind“ und ließ einige Fragen zu diesem Thema offen. Eine davon betrifft die Beteiligung des Itamaraty [brasilianisches Außenministerium] an den Lügen in dieser Angelegenheit. Eine andere: Wer war außer allen Mitgliedern des Militärregimes noch an diesem Prozess beteiligt?
Vor dem Ende seiner Rede sagte Jamil, er höre oft den Satz „wir müssen die Vergangenheit hinter uns lassen“ und fügte hinzu: „Ich nicht! Ich möchte eine neue Zukunft aufbauen; Brasilien steckt leider in der Vergangenheit fest“.
Am Ende seiner Rede erinnerte er an sein Buch mit der Co-autorin Juliana Monteiro „Ao Brasil com amor“ (Nach Brasilien mit Liebe) und sprach auch über seine Biografie über den Pianisten João Carlos Martins, die am 4. Juni im Konzerthaus São Paulo vorgestellt werden soll.
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