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18/10/2025

Hitlerismus, Trumpismus, Netanjah(u)ismus, Le-Penismus, Macronismus: ein vergleichender und expressionistischer Ansatz von Emmanuel Todd


Franz. Original, 13. 10. 2025

Übersetzt von Tlaxcala


Emil Nolde, Masken III, Stillleben, 1911


Die Verweise auf die 1930er Jahre häufen sich. Die Degeneration der US-amerikanischen Demokratie scheint uns zu der der Weimarer Republik zurückzuführen. Trump führt uns durch seine Lust an Gewalt und Lüge, durch die Ausübung des Bösen, unwiderstehlich zu Hitler zurück. In Europa zwingt uns der Aufstieg von Bewegungen, die als rechtsradikal kategorisiert werden, zu dieser Rückkehr zu unserer Geschichte.

Die westlichen Gesellschaften ähneln jedoch kaum mehr dem, was sie in den 1930er Jahren waren. Sie sind überaltert, konsumorientiert, tertiär; die Frauen sind emanzipiert; persönliche Entfaltung hat die parteipolitische Bindung ersetzt. Was hat das mit den Gesellschaften der dreißiger Jahre zu tun: jung, genügsam, industriell, proletarisch, männlich, parteigebunden? Gerade diese sozial-historische Distanz hatte mich bis heute dazu veranlasst, die Parallele zwischen den „Rechtenextremen“ der Gegenwart und denen der Vergangenheit a priori für ungültig zu halten. Doch politische Doktrinen existieren, heute wie gestern, und man kann sich nicht damit begnügen, die Unmöglichkeit etwa eines Altersnazismus, eines konsumistischen Franquismus, eines Faschismus befreiter Frauen oder eines Feuerkreuzler-LGBTismus zu postulieren.

Es ist an der Zeit, die Doktrinen unserer Gegenwart mit denen der 1930er Jahre zu vergleichen. Hier die Skizze dessen, was eine vergleichende Studie von fünf historischen Phänomenen sein könnte: Hitlerismus, Trumpismus, Netanjah(u)ismus, Le-Penismus. Am Ende füge ich kurz den Macronismus hinzu. Der zentristische und europäistische Extremismus, der Frankreich ins Chaos führt, zwingt uns zu dieser Prüfung. Ist dieser Extremismus wirklich so zentristisch?

Es handelt sich um einen impressionistischen Ansatz, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder auch nur Stringenz, dessen Ziel es ist, Fährten zu legen, nicht zu schließen. Ich überzeichne Striche und Farben, um die Konzepte zueinander in Beziehung zu setzen. Ich übertreibe bewusst, um eine sich beschleunigende Geschichte einzuholen oder gar vorwegzunehmen. „Expressionistischer Ansatz“ wäre vielleicht eine passendere Metapher.

Beginnen wir mit der allgemeinen Dimension von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit.

Die Abweisung eines „Anderen“, der als außerhalb der nationalen Gemeinschaft definiert wird – mit sehr unterschiedlichen Intensitätsgraden –, ist dem Hitlerismus, dem Trumpismus und dem Le-Penismus gemeinsam. Im Fall des Hitlerismus und des Trumpismus ist es der – explizite oder implizite – Begriff des Rassismus, der gemeinsam ist. Juden galten im Nationalsozialismus biologisch als „Rasse“. Schwarze, jene kaum verdeckten Zielscheiben der trumpisierten Republikanischen Partei, werden ebenfalls biologisch definiert. Dem Le-Penismus hingegen können wir nur den Begriff der Xenophobie zuordnen. Araber oder Muslime werden über ihre Kultur definiert. Ein Merkmal der französischen Fixierung auf Einwanderung bleibt ihre Obsession mit dem Islam und ihre Unfähigkeit, Schwarze ins Visier zu nehmen, deren massenhafte Ankunft jedoch das neue Element des Migrationsprozesses ist. Die Quote der Mischehen schwarzer Frauen ist in Frankreich sehr hoch; in den USA bleibt sie unbedeutend.

Ein den westlichen „Populismen“ gemeinsames Merkmal ist natürlich ihre Ablehnung der Einwanderung: Reform UK, die Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten), die AfD, Viktor Orbán in Ungarn, Recht und Gerechtigkeit in Polen, Giorgia Meloni in Italien bestehen – wie Trump oder Le Pen – die Prüfung dieses gemeinsamen Nenners. Reicht das aus, um sie als „rechtsextrem“ zu definieren, in dem Sinne, wie Nationalsozialismus und Faschismus rechtsextrem waren? Ich glaube nicht. Ein entscheidender Unterschied stellt den heutigen Populismus der hitler- oder mussolinischen Rechten gegenüber: Nationalsozialismus und Faschismus waren expansionistisch, mit dem Ziel, die Macht des deutschen (arischen) bzw. italienischen (römischen) Volkes nach außen zu projizieren. Sie waren aggressiv, nationalistisch, erobernd. Sie stützten sich auf Massenparteien. Man mag sich kaum vorstellen, dass die heutigen Populisten Nürnberger Aufmärsche organisieren. Die „Saucisson-Pinard“[Wurst und Wein]-Aperitifs des RN sind gewiss antimuslimisch, aber doch weniger eindrucksvoll als die kriegerischen Zeremonien der Nazis. Von Nürnberg nach Hénin-Beaumont? Wirklich?

Der einzige westliche Populismus, der heute den Expansionismus-Test zu 100 % bestünde, wäre der Netanyahus. Siedlungen im Westjordanland, Genozid in Gaza: eine Verbindung zwischen Hitlerismus und Netanjah(u)ismus herzustellen – ist unvermeidlich.

Die französischen, britischen, schwedischen, finnischen, polnischen, ungarischen, italienischen Fremdenfeindlichkeiten sind – im Gegensatz zu Nazismus und Faschismus – defensiv. Wir haben es nicht mit Völkern zu tun, die erobern wollen, sondern mit Völkern, die Herren im eigenen Haus bleiben wollen. Darum überwiegt heute in Europa die kulturelle Dimension gegenüber der rassischen, und deshalb kann man hier nur von Xenophobie sprechen. Diese Xenophobie ist konservativ, während der Hitler-Rassismus revolutionär war, weil er die soziale Ordnung umstülpte. Der Begriff des Nationalismus passt daher nicht auf die heutigen europäischen Populismen, ebenso wenig der Begriff „extreme Rechte“ – oder wir müssten Oxymora wie „moderater Nationalismus“ und „moderate extreme Rechte“ einführen. Ich spreche lieber von „Volkskonservatismus“.

Ich persönlich befürworte kontrollierte Einwanderung, muss jedoch die Legitimität dieser Xenophobie anerkennen, weil ich das Axiom akzeptiere, dass eine menschliche Gruppe, die eine Kultur trägt und sich als Kollektiv bewusst ist – kurz: ein Volk – das Recht hat, weiter existieren zu wollen. Konkret: Ein Volk kann seine Grenzen kontrollieren. Der Nazismus mit seinen Soldaten von Atlantik bis Wolga, die andere Völker unterwerfen oder ausrotten sollten, war etwas völlig anderes.

„Trump: Der neue Führer … Hitlers gefährlicher demagogischer Erbe“, ein Buch des ägyptischen Autors Taher Chalabi aus dem Jahr 2017, auf dem Ständer eines Trödlers in Tunis

Der Trumpismus stellt eine Mischform dar, weil er ein zentrales defensives, anti-immigrantisches Element mit einem starken Aggressionspotenzial nach außen verbindet. Es handelt sich nicht im eigentlichen Sinne um Expansionismus. Es ist die vorangegangene Expansion des US-amerikanischen Militärapparats und die Rolle des Dollars in der imperialen Ausbeutung, die die gewaltsamen trumpistischen Handlungen gegen andere Völker und Nationen ermöglichten: Venezuela, Iran, uns – die unterworfenen Völker Westeuropas – und natürlich die Araber, mit den Palästinensern als Hauptziel. Die schrittweise Integration Israels in das Imperium seit 1967 führt dazu, dass man 2025 Trumpismus und Netanjah(u)ismus kaum noch unterscheiden kann. Aber Trump, jenseits seiner nobelpreisreifen Faxen, ist der Hauptschuldige am Genozid in Gaza durch seine langfristigen Ermutigungen zur israelischen Gewalt: Diese simple Tatsache lässt den Trumpismus auf die Seite des Hitlerismus kippen. Trump sitzt weiterhin am Steuer: US-amerikanische Gasstöße und Bremsungen regulieren Netanjahus genozidale Aggressivität. Ich habe Glück: In dem Moment, da ich schreibe, weicht Trump, erschreckt über die Reaktion der arabischen Länder auf den israelischen Angriff auf Katar – zumal durch das strategische Bündnis zwischen Saudi-Arabien und Pakistan –, zurück. Er befiehlt Netanjahu, sich für den Bombenangriff in Katar zu entschuldigen, und dieser gehorcht. Trump zwingt Israel zu einem Abkommen mit der Hamas, und Netanjahu unterschreibt. Und danach? Trump ist ein Perverser – unmöglich vorauszusagen.

Der Begriff „Trumpo-Netanjah(u)ismus“, zugegeben wenig elegant, ermöglicht es, die „jüdische Frage“ als gemeinsamen Punkt der US-amerikanischen Krise 2000–2035 und der deutschen Krise 1920–1945 zu fassen.

Die radikal pro-israelische Haltung des Trumpismus kaschiert meines Erachtens einen tiefsitzenden, niederträchtigen Antisemitismus: Die Gleichsetzung aller Juden mit dem Netanjah(u)ismus – ein historisch tatsächlich monströses Phänomen, ein Krebsgeschwür der jüdischen Geschichte – wird nur dazu führen, die nationalsozialistische Vorstellung eines monströsen jüdischen Volkes zu erneuern. Ich spreche hier von einem Antisemitismus 2.0.

Mir ist bewusst, dass mir nur wenige Leser in diesem Punkt folgen werden. Doch ich spreche hier nur wie ein gewöhnlicher Prophet des Alten Testaments: „Wir sind nicht auserwählt worden, um auf der Seite der Mächtigen zu stehen. Die Geschichte hört nicht auf, uns diese Falle zu stellen.“ Wie oft glaubten Juden, durch die Starken, die Mächtigen, die Obrigkeit, ein Imperium gerettet zu sein – ja sogar durch ein Privileg ausgezeichnet – finanzieller Erfolg, intellektuelle Bedeutung, Gewicht in der bolschewistischen Partei –, um schließlich wütenden Völkern zum Fraß vorgeworfen zu werden… Mein Herz blutet, wenn ich so viele französische Juden sehe, die sich heute auf der Seite des Knüppels wähnen und Netanjahus Politik rechtfertigen. Doch die Kiefer einer Falle gehen auf. Durch Trumps Gnaden wird der ganze Planet antisemitisch. Die US-amerikanischen Juden, deren Mehrheit Netanjahus Linie ablehnt, sind weiser und gerechter. Aber schon werden Juden, die Netanjahu ablehnen – ob akademisch oder nicht –, von der Macht verdächtigt, Antisemiten zu sein. Die Perversion herrscht. Der Trumpismus herrscht.

Wann schnappt die Falle zu? Eines Tages werden die christlichen Nationen unvermeidlich ihren Frieden mit 1,6 Milliarden Muslimen machen. Dann werden die Juden von ihren Fans im Stich gelassen und, nunmehr allein, anderen wütenden Völkern zum Fraß vorgeworfen.

Die gelobten Länder folgen aufeinander, die Katastrophen folgen ihnen. „Einbruch der Nach“t, die frühe Erzählung von Isaac Asimov, diesem großen US-amerikanischen Science-Fiction-Autor, scheint mir eine Metapher für die lange Abfolge von Dramen zu sein, die die jüdische Geschichte ausmacht: Inmitten einer mächtigen Zivilisation kündigt ein prophetischer Rest eine geheimnisvolle Katastrophe an… sie kommt, überraschend… die Zivilisation bricht zusammen… dann, langsam, wird sie wiedergeboren, erblüht, überraschend…

In Wahrheit validiert schon die bloße Rückkehr der jüdischen Obsession ins Herz des Westens die Hypothese einer bedrohlichen Kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Zombie-Protestantismus und Nationalsozialismus, Null-Protestantismus und Trumpismus

Die Wirtschaftskrise von 1929 war ein maßgeblicher, wohlbekannter Faktor der Hitlerisierung Deutschlands. Sechs Millionen Arbeitslose entzogen die deutsche Gesellschaft jeder ideologischen Rückbindung. Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit durch Hitler binnen weniger Monate besiegelte das Schicksal des Liberalismus.

Der religiöse Kontext des Aufstiegs des Nationalsozialismus, ebenso wichtig, ist weniger vertraut: Zwischen 1870 und 1930 schwand der protestantische Glaube in Deutschland – zuerst in der Arbeiterwelt, dann in den mittleren und oberen Schichten. Die katholischen Regionen hielten stand. 1932 und 1933 konnte die Karte der NS-Wähler somit mit faszinierender Genauigkeit die des Luthertums reproduzieren. Der Protestantismus glaubte nicht an die Gleichheit der Menschen. Es gab die Auserwählten, vom Ewigen schon vor ihrer Geburt dazu bestimmt, und die Verdammten. War der metaphysische protestantische Glaube erst verschwunden, blieb die hysterisierte Furcht vor der Leere seines ungleichen Inhalts – mit Juden, Slawen und so vielen anderen als Verdammten. In den Vereinigten Staaten richtete sich der Protestantismus calvinistischer Herkunft gegen Schwarze. Das calvinistische Volk, an die Bibel fixiert, identifizierte sich mit den Hebräern, was den US-amerikanischen Antisemitismus der 1930er Jahre begrenzte und Juden schützte. Nun ja… geschützt bis zum jüngsten Aufkommen der evangelikalen Fixierung auf den Staat Israel.

Im katholischen Frankreich (insbesondere im Pariser Becken und an der Mittelmeerküste) ließ der Zusammenbruch von Glaube und Praxis ab 1730 die Gleichheit der Chancen auf das Paradies (durch die Taufe, die von der Erbsünde reinigt) in die Gleichheit der Bürger und in die Emanzipation der Juden umschlagen. Die republikanische Idee des universellen Menschen ersetzte die des universellen katholischen Christen (katholikós bedeutet auf Griechisch „allumfassend“). Ein ganz anderes Programm als der Nationalsozialismus, das aber lange vor ihm die erste massive Ablösung einer Religion durch eine Ideologie darstellte. In Revolutionsfrankreich wie im nationalsozialistischen Deutschland überlebte jedoch das soziale und moralische Rahmenpotenzial der Religion den Glauben: Das Individuum blieb Mitglied seiner Nation, seiner Klasse, Träger einer Arbeitsethik und eines Pflichtgefühls gegenüber den Mitgliedern der Gruppe. Die Fähigkeit zur kollektiven Aktion war stark, womöglich vervielfacht. Dies nenne ich das Zombie-Stadium der Religion. Der Nationalsozialismus entsprach diesem Zombie-Stadium, daher – leider – seine wirtschaftliche und militärische Effektivität.

Ich könnte diese religiöse Erklärung der Ideologie durch eine Erklärung der Religion selbst ergänzen, beeinflusst durch die zugrunde liegenden Familienstrukturen, in Deutschland ungleich, im Pariser Becken egalitär. Man kann sich hier jedoch mit einer Kontinuität vom Protestantismus zum Nationalsozialismus und vom Katholizismus zur Französischen Revolution begnügen.

Wir finden Protestantismus im Trumpismus wieder. Wir finden dann Ungleichheit, verbunden mit Negrophobie. Wir befinden uns jedoch nicht mehr im Zombie-Stadium der Religion, sondern in ihrem Null-Stadium. Die gemeinsame Moral ist verschwunden. Die soziale Wirksamkeit ist verschwunden. Das Individuum treibt, besonders in jenem Amerika mit absoluter Kernfamilienstruktur, individualistisch und ohne klare Erbregeln. Folglich ist von der trumpistischen Ideologie anderes zu erwarten: weiterhin Ungleichheit, aber weniger Stabilität im Wahn, brutale Oszillationen, die nicht fundamental aus dem Gehirn eines vulgären und niederträchtigen Präsidenten stammen, sondern aus der Gesellschaft selbst. Die Fähigkeit zu kollektiver, wirtschaftlicher und militärischer Aktion ist – zu unserem Glück – stark vermindert.

Man beachte beim Trumpismus das Auftreten nihilistischer pseudo-religiöser Formen, die eine obszöne Neuinterpretation der Bibel einschließen, etwa die Verherrlichung der Reichen. In der Dimension des Rassismus deutlich schwächer als der Nationalsozialismus, geht der Trumpismus in der ökonomischen Unmoral weiter.

Der Nationalsozialismus war schlicht und explizit antichristlich. Der Trumpismus gibt sich religiös, aber in der Art eines satanischen Kultes – durch Umkehrung der Werte. Das Böse ist das Gute, die Ungerechtigkeit ist die Gerechtigkeit. Hitler war nur der Führer, der das deutsche Volk zu seinem Martyrium führte; Trump ist nicht Satan, aber ich vermute, dass für seine satanistischen Fans seine rote Kappe die des Antichristen ist.

Beim Le-Penismus gibt es kein ungleiches protestantisches Erbe. Darin liegt das eigentliche Rätsel des Rassemblement National: fremdenfeindlich, ist es auf katholischem Boden entstanden. Schlimmer noch: Seine ersten Hochburgen an der Mittelmeerküste und im Pariser Becken waren die der Revolution – familiär egalitär und seit dem 18. Jahrhundert entchristlicht. Und nun? Ist das Rassemblement National ungleichheitsorientiert? Egalitär? Rätsel für uns; wahrscheinlich auch für sich selbst. Seine Ablehnung des Anderen entspringt einem perversen Egalitarismus, der eine rasche Assimilation der Einwanderer verlangt, statt sie ihrem Wesen nach als verschieden zu empfinden. Vor allem aber wird das RN, so sehr es von der Ablehnung von Einwanderern und sogar deren Kindern bestimmt ist, ständig an die französische egalitäre Tradition erinnert, weil seine Wähler die Ultrareichen, die Mächtigen – kurz: unsere dummen Eliten – hassen, und nicht nur die Einwanderer. Deshalb tut sich die „Union der Rechten“ in Frankreich so schwer. In der einen oder anderen Form wirft das Bündnis der Oligarchen mit dem (weißen) Volk gegen den Fremden in den USA, im Vereinigten Königreich und in Skandinavien keine Probleme auf, wo konservative Volkskräfte und die klassische Rechte leicht zusammenfinden. In Frankreich entzieht sich die Koalition der Reichen und Armen gegen den Fremden.

Unterschätzen wir jedoch nicht die potenzielle Gewalt einer Fremdenfeindlichkeit universalistischer Prägung. Sie kann sehr wohl in Rassismus umschlagen. Wenn ein Mensch a priori meint, die Menschen seien überall gleich, und er Menschen mit anderen Sitten gegenübersteht, kann er sehr wohl folgern, dass sie keine Menschen seien.

Das RN ist das Produkt eines Katholizismus Null, so wie die Revolution das eines Zombie-Katholizismus war. Daher wird es kein kollektives Projekt hervorbringen. Eine detaillierte Untersuchung des RN und seines Verhältnisses zur Zukunft verschiebe ich auf einen nächsten Text – weder impressionistisch noch expressionistisch –, den ich ganz der inneren Logik und der Dynamik des französischen Chaos widmen werde.

Psychiatrie der oberen Mittelschichten

Ich komme nun zu einem entscheidenden Unterschied, der jedem klar sein sollte und von politischen Kommentatoren, die uns mit ihrem Vokabular unablässig in die 1930er Jahre zurückverweisen, in Erinnerung zu rufen wäre. Das Verständnis der religiösen oder nach-religiösen Dimension des Hitlerismus, des Trumpismus oder des Le-Penismus setzte historische Kenntnisse voraus, die man von TV-Politologen nicht verlangen kann. Dagegen können wir von ihnen verlangen, die Ideologien der Vergangenheit und der Gegenwart sozial zu verorten, statt sie unablässig unter dem Begriff „extreme Rechte“ gleichzusetzen. Der Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist hier sehr deutlich.

Der Nationalsozialismus und die Rechtsbewegungen der Vorkriegszeit fanden ihr soziales Epizentrum in den Mittelschichten und besonders in der oberen Mittelschicht, die durch die Arbeiterbewegung – sozialdemokratisch oder kommunistisch – bedroht war. Diese Mittelschichten waren fiebrig, damit beschäftigt, ihre Frauen einzusperren und Homosexuelle zu verfolgen. Heute finden die sogenannten rechtsradikalen Bewegungen hingegen ihr Epizentrum in den Volksschichten, insbesondere in einer verarmten Arbeiterwelt, erschüttert oder zerstört durch die wirtschaftliche Globalisierung, bedroht durch Einwanderung. Die heutigen Mittelschichten, weitgehend durch höhere Bildung und hohem Einkommen definiert, sind von der „extremen Rechten“ kaum oder gar nicht betroffen. Sie sind besonders immun.

 Deshalb spreche ich lieber von „Volkskonservatismus“ als von „extremer Rechter“. Seine Verankerung in der Gruppe der Beherrschten erklärt den defensiven Charakter des Volkskonservatismus. Sein Wähler stellt sich nicht als Eroberer Europas oder der Welt vor, wenn er sein eigenes Leben als Überleben empfindet.

Der wirkliche intellektuelle Fehler wäre, hier stehen zu bleiben. Gehen wir weiter, kehren wir sogar die Problematik der Verbindung von Ideologie und Klasse um. Wir haben die Ideologien der Gegenwart mit denen der Vergangenheit verglichen; vergleichen wir nun die Klassen der Gegenwart mit denen der Vergangenheit.

Teile der europäischen Mittelschichten der Zwischenkriegszeit verfielen dem Wahnsinn. Die Arbeiterwelt war vernünftiger. Aber sind die heutigen Mittelschichten, insbesondere die oberen, vernünftig? Friedfertig? Wovon träumen sie?

Sie sind verrückt. Der Aufbau eines postnationalen Europas ist das Projekt eines Halluzinierenden, wenn man die Vielfalt des Kontinents kennt. Er hat zur Expansion der zusammengeflickten und instabilen Europäischen Union in den ehemaligen sowjetischen Raum geführt. Die EU ist nun russenfeindlich, säbelrasselnd, mit einer durch ihre wirtschaftliche Niederlage gegenüber Russland erneuerten Aggressivität. Die EU versucht, die Völker Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands und so vieler anderer in einen echten Krieg hineinzuziehen. Was für ein seltsamer Krieg wäre es, in dem die westlichen Eliten Hitlers Traum von der Zerstörung Russlands übernommen hätten!

Der Vergleich nach sozialen Klassen ermöglicht somit einen großen intellektuellen Durchbruch. Der Europäismus – und damit der Macronismus – fällt durch seine äußere Aggressivität auf die Seite des Nationalismus, auf die Seite der Rechtsbewegungen der Vorkriegszeit. Wenn wir die zunehmend massiven und systematischen Eingriffe in die Informationsfreiheit und die Ausübung des Volkswillens im EU-Raum hinzufügen, nähern wir uns noch stärker dem Begriff „extreme Rechte“. Als Verbund liberaler Demokratien gegründet, verwandelt sich Europa in einen Raum der extremen Rechten. Ja, der Vergleich mit den 1930er Jahren ist nützlich, ja unverzichtbar.

Im grandiosen europäistischen Projekt finden wir eine psychopathologische Dimension, die bereits im Hitlerismus zu beobachten war: Paranoia. Die europäistische Paranoia konzentriert sich auf Russland. Die der Nazis machte die „jüdische Bedrohung“ zur Priorität, ohne den russischen Bolschewismus (sogenannter „Judeo-Bolschewismus“) zu vernachlässigen.

Heute wie gestern können wir also eine Psychopathologie der europäischen Führungsschichten analysieren. Die bizarre Sequenz, die mit Trumps Wahl begann – und mit dem Willen des labilen Präsidenten, mit Putin zu sprechen –, erlaubte uns, die Realitätsflucht unserer eigenen Führungen live zu verfolgen. Fassen wir unseren Wahnprozess zusammen. Er begann um 2014, vor, während und nach Maidan, jenem Staatsstreich, der die Ukraine zersetzte – gelenkt von US-amerikanischen und deutschen Strategen. Nun das Weitere:

  • 2014–2022: Provozieren wir Russland, das gewarnt hatte, es werde die Annexion der Ukraine durch EU und NATO nicht dulden.
    Geschehen. Putin ist in die Ukraine einmarschiert.
  • 2022–2025: Verlieren wir den für uns daraus folgenden Wirtschaftskrieg.
    Geschehen. Unsere Gesellschaften implodieren.
  • 2022–2025: Verlieren wir den eigentlichen Krieg, den das Kiewer Regime in unserem Auftrag führt.
    Läuft zur Zeit.

Der Umschaltpunkt der europäischen Regierungen in eine Parallelrealität beginnt 2025.

  • Leiten wir aus unserer Niederlage die Idee ab, wir könnten nun endlich unseren Willen durchsetzen und unsere Truppen in der Ukraine stationieren, um das, was übrig bleibt, der EU einzuverleiben. Wie ließe sich da nicht an Hitler denken, der 1945 in seinem Bunker eingeschlossen Armeen befahl, die es nicht mehr gab.

Wir haben es heute in Europa mit Verrückten zu tun – oder besser: mit einem kollektiven Wahnsinn, der massenhaft Individuen der gesellschaftlich herrschenden Kreise erfasst hat. Allein in Frankreich beteiligen sich Tausende Journalisten, Politiker, Akademiker, Unternehmer, hohe Beamte an der kollektiven Halluzination eines Russlands, das Europa erobern wolle (Paranoia). Dies oder jenes Individuum kann nicht persönlich verantwortlich gemacht werden. Wir haben es mit einer kollektiven psychischen Dynamik zu tun.

Ich bin überzeugt, dass die Verkleinerung des Individuums, geboren aus dem Nullzustand der Religion, die Entstehung dieser russenfeindlichen Schwärme erklärt.

Wie ich in Les Luttes de classes en France au XXIème siècle erläutert habe, führte das Verschwinden kollektiver Glaubenssysteme – religiöser und dann ideologischer des religiösen Zombie-Zustands – zu einem Einbruch des menschlichen Über-Ichs. Anders als die Kämpfer für die Befreiung des Ichs definiere ich das Über-Ich nicht nur oder vorwiegend als repressiv. Das Über-Ich, als Ideal des Ichs, verankert im Menschen positive moralische und soziale Werte. Begriffe wie Ehre, Mut, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit finden ihren Ursprung und ihre Kraft im Über-Ich. Schwächt es sich, schwächen sie sich. Verschwindet es, verschwinden sie. Der Mensch ist also durch das Ende von Religion und Ideologien letztlich nicht befreit, sondern im Gegenteil geschwächt worden. Es sind hochgebildete, aber moralisch und intellektuell geschrumpfte Männer und Frauen – geschrumpft durch den Nullzustand der Religion –, die massenhaft Träger der russenfeindlichen Pathologie sind.

Die nationalsozialistischen Antisemiten hatten eine ganz andere psychische Konstitution. Der „Tod Gottes“, um mit Nietzsche zu sprechen, trieb sie zwar in die Suche nach einem Führer, doch mangelte es ihnen nicht an Über-Ich, und sie blieben zu kollektiver Aktion fähig. Die tragischen Leistungen der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg zeugen davon. Wer würde es heute wagen, sich unsere oberen Mittelschichten vorzustellen, wie sie an der Spitze ihrer Völker dem Tod entgegen nach Kiew und Charkiw eilen würden? Unser Ukraine-Krieg ist zum Lachen – ein Produkt der Emanzipation des Ichs, Tochter der Persönlichkeitsentwicklung. Sterben werden nur Ukrainer und Russen.

Es sei denn…

Thermonukleare Austausche kommen ohne Helden aus.

9.    Oktober 2025


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