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27/06/2021

Namibia: Vekuii Rukoros letzter Kampf um Genozid-Reparationen

Achraf Tijani, Jeune Afrique, 27.6.2021

Übersetzt von Fausto Giudice 

Die Wiedergutmachung für den von Deutschland begangenen Völkermord in Namibia zu erreichen, war für Vekuii Rukoro der Kampf seines Lebens. Das Ende wird er jedoch nicht erleben: Der „Paramount Chief“ der Herero starb am 18. Juni.

 

Rechtsanwalt Kenneth McCallion (L) und Herero-Häuptling Vekuii Rukoro (R), 16. März 2017, in New York City © DON EMMERT/AFP

 

580 Millionen Dollar pro Jahr, 40 Jahre lang. Das ist die Höhe der Reparationszahlungen, die der charismatische Führer der Herero-Gemeinschaft, Vekuii Rukoro, von Berlin für den vom Deutschen Reich zwischen 1904 und 1908 in Namibia begangenen Völkermord forderte. Lange als „vergessener Völkermord“ bezeichnet, gilt der Völkermord an den Herero und Nama als der erste des 20. Jahrhunderts. Er forderte 70.000 Opfer, darunter 60.000 Herero und 10.000 Nama, wie Historiker berichten. Der 1985 den Vereinten Nationen vorgelegte Whitaker-Bericht stellte fest, dass zwischen 1904 und 1908 80% der Herero und 50% der Nama von den Deutschen ausgerottet wurden.

 

Der 2014 zum obersten Häuptling der Ova Herero gewählte Aktivist, der am 18. Juni im Alter von 66 Jahren an den Folgen von Covid-19 starb, hatte seinen Kampf bis vor die internationalen Gerichtshöfe getragen. Sein Aktivismus hatte sogar dazu geführt, dass er von den Gesprächen ausgeschlossen wurde, die zwischen der namibischen und der deutschen Regierung initiiert worden waren und die bereits 2015 zur Anerkennung  des damaligen Völkermordes durch Deutschland geführt hatten, sowie in jüngerer Zeit zu der Bitte um „Vergebung“, die der deutsche Außenminister am 28. Mai an Namibia richtete.

 


Schädel von Herero und Nama, die Opfer deutscher kolonialer Ausrottung wurden, ausgestellt in Berlin am 29. September 2011. Foto Michael Sohn/NBC/AP/SIPA

 

„Phänomenale Beleidigung“

„Wir nennen diese Ereignisse offiziell das, was sie aus heutiger Sicht sind: Völkermord“, sagte Heiko Maas. „Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten“. Zusätzlich zu dieser symbolischen Entschuldigung hat sich Deutschland verpflichtet, 1 Milliarde Euro an Hilfe zu zahlen - über einen Zeitraum von 30 Jahren... -  eine Summe, die in keiner Weise einer "Wiedergutmachung" entspricht", beeilte sich der deutsche „Wir nennen diese Ereignisse offiziell das, was sie aus heutiger Sicht sind: Völkermord“, sagte Heiko Maas. „Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten“. Zusätzlich zu dieser symbolischen Entschuldigung hat sich Deutschland verpflichtet, 1 Milliarde Euro an Hilfe zu zahlen - über einen Zeitraum von 30 Jahren...-    eine Summe, die in keiner Weise einer "Wiedergutmachung" entspricht", beeilte sich der deutsche Minister zu präzisieren.

Am Werderschen Markt, dem Sitz des deutschen Außenministeriums, wird argumentiert, dass die 800 Millionen Euro Entwicklungshilfe, die Namibia seit seiner Unabhängigkeit 1990 erhalten hat - mehr als andere Länder in der Region -, ein Zeichen für die „besondere Aufmerksamkeit“ für Windhoek sind. Zusammen mit den 1,1 Milliarden Euro an Unterstützung für die Infrastruktur des Landes ist das nach Ansicht Berlins mehr als genug.

Vekuii Rukoro verbarg seinen Ärger am Tag nach dieser Aussage der deutschen Behörden nicht. Für den Herero-Führer sollte, wenn Deutschland wirklich anerkenne, einen Völkermord begangen zu haben, „dies zur Zahlung echter Reparationen führen“. Bereits 2016 hatte der Aktivist diese Verhandlungen als eine bloße „Show“ angeprangert und die genannten Summen als „phänomenale Beleidigung“ bezeichnet, verglichen mit den „75 Milliarden Euro an Renten und Sozialleistungen, die an Juden gezahlt werden“.

 


Herero auf der Flucht vor deutschen Truppen in der Omaheke-Wüste (1907). Ulstein Bild / Roger-Viollet

Besuch des Bundespräsidenten

Ein Jahr später schloss er sich einer Sammelklage gegen Deutschland auf Wiedergutmachung des Völkermords an, die in den Vereinigten Staaten eingereicht wurde, die Klagen gegen angebliche Täter von Völkermord außerhalb der Vereinigten Staaten zulässt. Doch nach einem zweijährigen Verfahren wies der New Yorker Richter die Klage der Herero- und Nama-Verbände schließlich ab. Rukoro hatte auch eine Klage bei den Vereinten Nationen eingereicht und sich dabei auf die Erklärung über die Rechte indigener Völker von 2007 berufen.

Bis zuletzt kämpfte Vekuii Rukoro für eine wirkliche Wiedergutmachung für die methodische Ausrottung von Männern, Frauen und Kindern durch den deutschen General Lothar von Trotha im damaligen Deutschen Südwestafrika. Das Motto der Zeit? „Jeder Herero mit oder ohne Waffe, mit oder ohne Viehbestand, muss erschossen werden“. Dieser Befehl wurde traurigerweise buchstabengetreu umgesetzt, mit seinem Anteil an Massentötungen und Konzentrationslagern. Menschliche Schädel wurden sogar für „Studien“ nach Deutschland geschickt, um die damals in Europa weit verbreiteten Rassentheorien zu nähren. Die Gebeine kehrten 2019 zurück, das Jahr, das Michelle Müntefering, die damalige Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, auserkoren hatte, um im Namen Deutschlands „von ganzem Herzen um Vergebung zu bitten“.

In Windhoek bezeichnete der namibische Präsident Hage Geingob das mit Deutschland erzielte Abkommen als „ersten Schritt in die gute Richtung“. Die Haltung Berlins in dieser Angelegenheit wird jedoch von Esther Utjiua Muinjangue, Präsidentin der Ova Herero Genocide Foundation, als „schockierend“ beurteilt. Der soeben geschlossene Pakt, der noch von den beiden Regierungen unterzeichnet und von den beiden Parlamenten ratifiziert werden muss, um in Kraft zu treten, wird Anlass für einen offiziellen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Namibia sein. Dort soll er im Namen des deutschen Volkes eine feierliche Entschuldigung abgeben. Eine Rede, die Vekuii Rukoro zu boykottieren geplant hatte.

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