Milena Rampoldi, ProMosaik, 2.1.2022
Zum Thema Corona und dem Verhältnis zwischen
Medizin und Totalitarismus habe ich mit Prof. Michael Schneider
(Jahrg. 1943) gesprochen. Schneider ist Schriftsteller und engagierter
Sozialist, u.a. bis heute bekannt aus seiner Zeit in der Studentenbewegung, als
Autor von „Neurose
und Klassenkampf“ und als Gründer
des ersten Sozialistischen Straßentheaters in Webstberlin. Er zeichnet sich durch seine scharfsinnige Kritik am Status quo aus, und so auch an der herrschenden „Corona“-Ausartung,
die viele nicht nur politische, sondern auch neurotische Elemente enthält. Aber
sie ist anders. Macht ist heute anders. Und der Totalitarismus von heute ist
anders.
In dieser Corona-Ära entgeht vielen der
Zusammenhang zwischen Medizin, Macht und Totalitarismus, warum ist das so?
Dass in der Corona- Krise so vielen Menschen der Zusammenhang zwischen
Medizin, Macht und Totalitarismus entgeht, ist vor allem dem Wesen dieses neuen
und in seiner massenpsychologischen Wirkung höchst raffinierten und wirksamen
Narrativs geschuldet: Dass Sars-Cov-2 ein die ganze Menschheit bedrohender
Killervirus sei, gegen den man „Krieg führen müsse“, wie der französische
Präsident im April 2020 verkündete.
In Kriegs- und Krisenzeiten kommt es fast immer zum Schulterschluss
zwischen Regierung und Bürgern. Im Dauer- „Krieg gegen Corona“ und seine immer
neuen „gefährlichen Mutanten“ geht es inzwischen ähnlich zu wie in Orwells
„1984“, wo die Menschen ständig mobilisiert und in fiktive Kriege gegen neue
Feinde gehetzt werden, die nie jemand zu Gesicht bekommt. Noch abgefeimter, ja,
von einer geradezu sadistischen Genialität (im Sinne psychologischer
Kriegsführung) ist das (von US-Geheimdiensten und Denkfabriken ausgeheckte)
Narrativ von einem unsichtbaren, zersetzenden Feind, der jederzeit und überall
zuschlagen kann und der in jedem von uns,
in deinem Nachbarn, deinem Arbeitskollegen, sogar in deinen liebsten
Angehörigen und erst recht in dir selbst lauern kann.
Besonders tückisch ist das Postulat des „symptomlosen Kranken“, der als
„Superspreader“ alle anderen gefährdet, was den Argwohn aller gegen alle
befeuert und zu einer kompletten Beweislastumkehr führt: Im Kampf gegen den
unsichtbaren Feind sind alle Menschen nicht potenziell gesund, sondern potenziell
krank. Jeder Mensch ist ein noch nicht überprüfter Verdachtsfall und potenzieller
Gefährder und muss über tagesaktuelle Feststellungen (Tests) oder Impfungen
seine Unschuld beweisen. Tut er dies nicht, sind Aussonderung und Restriktion
zulässige Notwehrmaßnahmen der Gesellschaft.
Diese Erzählung ist neu und nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil
sie vor allem gemeinschaftliche Ideale wie Solidarität, Verantwortung für die
Mitmenschen etc., die gerade den Linken lieb und teuer sind, in ihren Dienst
nimmt. Darum wird ihr tückisches Wesen von den meisten Linken, Sozialdemokraten
und Links-Sozialisten auch nicht erkannt, zumal diese gerade jetzt, in der
Corona-Krise, zum Opfer ihrer Staatsgläubigkeit geworden sind: Dass nach
dreißig Jahren neoliberaler Privatisierungen und Kahlschlags-Politik (auch und
gerade im Gesundheitswesen) nun auf einmal der bis dato schwache Staat die
Zügel ergreift und, wie es scheint, die
Gesundheit der Bürger zur obersten Maxime seines Handelns macht, gilt ihnen als
Beweis für die wiedergewonnene ethische Dimension der Politik. Warum aber sollten die ansonsten skrupellosen herrschenden Eliten beschlossen
haben, die globale Profitmaschine angesichts eines Krankheitserregers anzuhalten,
der fast ausschließlich die „Unproduktiven“, die über 80-Jährigen trifft?

John Melhuish Strudwick,
Ein Goldener Faden, 1885
Wie sehr unterscheidet sich die Macht in diesem
Zeitalter von der Macht im traditionellen Sinne?
Im
Unterschied zu traditionellen Diktaturen und totalitären Systemen, die zumeist
nationalstaatlich organisiert sind oder waren (was Bündnisse zwischen ihnen
keineswegs ausschloss – man denke nur an die faschistischen Achsenmächte
Deutschland, Italien und Japan) und die ihre politischen Gegner ausgeschaltet
oder in Lagern konzentriert haben, haben wir es diesmal mit einer transnationalen
biopolitischen Machtergreifung zu tun, die „auf
der Ebene der Global Governance beginnt und tief in die Souveränität des
Individuums eingreift“, wie van der Pijl, Professor für Internationale Politik
an der Universität Sussex, in seiner fulminanten Studie „Die belagerte Welt“
aufgezeigt hat: „Die Verhängung des Ausnahmezustands
in praktisch der ganzen Welt war in erster Linie ein politischer Schritt, der
nachweislich von langer Hand vorbereitet und in einer Reihe von transnationalen
Denkfabriken und supranationalen Organisationen wie der WHO und der Weltbank
koordiniert wurde. Auf deren Rat und ausdrückliche Anweisung haben die
Regierungen ihre Bevölkerungen in den Würgegriff genommen. Schließlich geht es
um das Überleben der bestehenden Gesellschaftsordnung, die sozial,
wirtschaftlich und ökologisch auf Grund gelaufen ist.“
Das Programm, das im Windschatten der „Pandemie“ umgesetzt wird, der
sog. „Great Reset“ (wie die gleichnamige programmatische Schrift von Klaus
Schwab und Thierry Malleret lautet.) hat jedoch nichts mit Gesundheit zu tun.
Vielmehr geht es um den Machterhalt der Oligarchie, der transnational
herrschenden Klasse, die sich um einen neuen Machtblock aus Geheimdiensten,
IT-Giganten und Medienkonglomeraten konzentriert.